Orktober

Wie angekündigt nun ein paar Anmerkungen zur Orktradition in Fantasy und Spiel. Neben der etwas ahistorisch im Raum schwebenden Deutung von Orcs (Tolkien schrob ja lieber OrKs) als allgmeines Sinnbild für Dämonen- und Geisterhaftes, drängt sich dem kundigen Betrachter doch noch anderer Bezug auf.

Dieser Bezug ist Implizit und Explizit zumindest als Keim im Herrn der Ringe angedeutet und im weiteren Werke Tolkiens auch noch weiter untermauert.

Ich mache hier nochmal darauf aufmerksam, daß Bezug nicht Gleichsetzung oder vollständige Entsprechung bedeutet.

Worauf will ich hinaus?

Dahinaus:

Zum Osmanischen Reich oder auch „Den Türken“. „Turk“ und Ork „Törok“ und Uruk legen es vllt. nur scheinbar nahe. Aber inhaltlich und äußerlich gibt es da viele Einflüsse. Die Orks kommen aus dem Unheiligen Land Mordor nach dem Europäischen Teil Mittelerdes. Die Trommeln und Musik der Orks zeigen einige Parallelen zur ältesten kontinuierlichen Militärmusiktradition, Mehter.

Alle großen Euroäischen Christenreiche stritten mit Arabern, Mongolen, Hunnen und eben ihren organisierteren Nachfolgern der Turksteppenreitervölker: den Türken und Osmanen. Westrom, Ostrom-Byzanz, Rußland, Österreich, Polen, das HRR, Ungarn, Kroaten, Serben, Albaner usw. usf. die Europäische Indentität selber ist zu einem nicht geringen Anteil in ewiger Abgrenzung zu „Untermenschlichen Horden“ aus dem Osten abgeleitet. Christenkinder wurden in den besetzten Gebieten „ihren Eltern entrissen“ und dann zu Elitesoldaten, den Janitscharen ausgebildet, bei Tolkien gibt es ja wilde Vermischungsthesen und Andeutungen.

Tolkien selbst, so auch der Türkische Zeichner Ugurcan Yüce sehen Orks als eine Art unberittene Mongolen:

…they are (or were) squat, broad, flat-nosed, sallow-skinned, with wide mouths and slant eyes; in fact degraded and repulsive versions of the Europeans least lovely Mongol-types.

.

Wie die Zerrbilder der Steppenvölker in der Fantasy ihre Reittiere verloren weiß ich noch nicht. Klar sind auch bei Orks und Goblins in Warhammer und DSA anzutreffende Mondsymbolik als Bezüge dem Osmanischen Reich zuzuordnen.

Links unten ein echter Halbmondstander, ansonsten der Rote Vollmond. Auch wichtig bei DSA.
http://www.wiki-aventurica.de/index.php?title=Ork

In vielen Orkinterpretationen steckt auch die Jahrhunderte währende Erfahrung, daß in unregelmäßigen Abständen die „Gefahr aus dem Osten“ wie eine Plage über die Christenheit käme: Subotai, Dschingis Khan, Attila, Suleiman der Prächtige, Mehmet II. Fatih, Timur usw. usf. Sarazenen und Araber werden auch gerne miteingemischt, so bei BattleLore. Krummsäbel dürfen nie fehlen, oft gibt es auch orkische Kompositbögen!
Waaaagh! und Orkenzüge nach Mondstand bei DSA und WH seien stellvertretend genannt

Das ganze könnte man noch lange weiterführen. Die Kernthesen, die ich anbringen will sind:

Es gibt eine europäisches Angstschema, was in das kulturelle Unterbewußtsein fest verankert wurde. Dieses Schema gründet auf die realen Erfahrungen mit Hunnen, Mongolensturm, Siegeszug der Araber unter Mohammed, den Kreuzzügen endet mit dem Fall Konstantinopels und der Reconquista. Diese Erfahrungen wurden dann verallgmeinert und rückprojiziert auf das dann sich festigende Osmanische Reich. Mit diesem kämpfte „Europa“ dann nochmal die letzten 500 Jahre. Dieser Kampf war für die Balkanbewohner, Polen und das Habsburgerreich, aber in der Wahrnehmung auch für alle anderen Existentiell. Die in der Reformationszeit immer wieder auftretende Endzeitstimmung wird oft untermauert mit der Wahrnehmung „der Türken“ als Geißel Gottes und Vorboten der Apokalypse. Die zweite Belagerung Wiens 1683 hat ihn solch moderner Zeit es nochmal fertiggebracht sowas archaisches wie einen gesamteuropäischen Kreuzzug auszulösen.

Als Reiter von Rohan bei dieser „Hornburg“ kamen dann Jan Sobieskis polnische Panzerreiter. Helms Klamm liegt eben am Kahlenberg.

Alle Interpretation von Erfahrung und Urangst vor den Reitervölkern wird durch die Linse der Erfahrungen mit dem Osmanischen Reich gemacht.

Die Entmenschlichung des Gegners geht mit großem Respekt vor seinem militärischen Können einher. Dies wird aber, etwas kontrafaktisch und verschleiernd, der Unmenschlichkeit zugeschrieben- daß die Osmanen und auch Mongolen jahrhundertelang besser ausgebildet und diszipliniertere Truppen (Der Janitschar im 15.-16- Jh. war besserer Langbogenschütze als der Yeoman. Und es gab mehr davon! Halt mag einer sagen, mit einem stehenden Heer aus Wunderlangbogenschützen könnte mam ja die halbe Welt erobern und alle europäischen Ritter plattmachen) hatten wird durch Wunschdenken und Rückprojektion der Erfahrung aus den letzten Kriegen mit dem Osmanischen Reich im Niedergang umgekehrt.

Im Rückblick wurden mehr und mehr solcher Ost-West-Konflikte mit der Rückprojektion versehen. Bei 300 neulich erst doppelt:

Griechen gegen Perser als Schicksalskampf EU-Demokratie vs. Asiatischer Despotismus und Dekadenz, sowie Türken (dort Unsterbliche, also Perser aber das ist eben mehrfach rückprojiziert) als buchstäbliche Untermenschen-Orks, mit Bonus-Oger und Krummsäbeln.

Ach ja, und in Überzahl sind Orks, Mongolen, Osmanen, Perser, wahlweise auch Russen, sowieso und immer. Übrigens:Rolandslied beachten.

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6 Gedanken zu „Orktober

  1. Tja, wenn Leute, die nix Gescheites gelernt haben, sich an Mentalitätsgeschichte versuchen.Wikipedia allein macht noch keine Kompetenz.

  2. Oho, die Leiden des glücklosen -istikers schlagen um in Haß auf Settembrini? Wie originell!Und ganz ohne Inhalt gepöbelt, das Blog ist also doch noch am Leben!

  3. Übrigens würde mich mal interessieren, was man den für ein Zertifikat braucht um sich über sowas öffentlich seines Verstandes befleißigen zu dürfen. Mir schwant Angst und Dünkel brodeln da ein häßlich Süppchen. Der wahrhaft Kompetente berichtigt ohne Haß den fremden Irrtum.

  4. Und meinst du, dieser Bezug und dieses Angstschema sind heute noch wirksam? Für Tolkien gilt das sicher, aber ich frage mich gerade, wie viel Osmane nach dem Endloswaschgang der popkulturellen Zitierei noch drin steckt – im Ork bzw. im kollektiven Rezipienthirn. Vielleicht wäre es den Versuch wert, die Figur abstrakter zu bestimmen und zu überprüfen, ob deine historische Besetzung heute nicht von einer anderen abgelöst wurde?Spannend finde ich übrigens, dass bei Warhammer (insbesondere bei 40K) die Untermenschen-Zuschreibung so ausdrücklich ist, dass die „Guten“ gar nicht mehr anders darstellbar sind, denn als ausgesprochen hässliche Vernichtungs- und Säuberungsstreitmacht; im Gegensatz dazu poltern die „edlen Wilden“ Aventuriens in einer mindestens genauso hässlichen (weil pseudomoralischen) Grauzone herum und mogeln sich mal als missverstandener Indianer und mal als blutsaufender Nichtmensch aus der Diskussion.

  5. „Und meinst du, dieser Bezug und dieses Angstschema sind heute noch wirksam?“Nee,eben garnicht mehr. Wie Du schon sagst, bei Tolkien hört das ungefähr auf so zu wirken wie es mal tat.Vor allem nicht in Deutschland. In Deutschland bringt doch keiner mehr die Türkei mit dem osmanischen Reich in Verbindung. Oder weiß wer Prinz Eugen war. Mit Jan Sobieski-> Polen, Ungarn, Bosniaken oder Serben ist das mal eine andere Hausnummer.Mongolenreiterhorden gibt es vllt. noch so als Angstschema, indem alles zusammenläuft, aber sehr dünnsuppig. Die Osmanenbezüge sind noch im äußerlichen, für die Miniaturenmaler und Zeichner. Der Punkt ist bei Fantasy ja mal gewesen, historisches Wissen abenteuerlich spielbar/konsumierbar zu machen. Da das Publikum sich aber unglaublich gewandelt hat, ist es kein rezipiertes Zitat mehr, sondern etwas scheinbar Eigenes.Ob noch jemand vor Orks an sich Angst hat? Andererseits sind die militärischen Archetypen ja in der Popkultur sehr begrenzt. Da wird die Leonidas-Kahlenberg-Situation so schnell nicht verschwinden.“Roland und Thalionmel, zwei Schwerter haun auf den Putz“ fällt mir da eben ein.

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