Cry, Cry, Cry Teil III

Die Spieler

Wie man dem Beispiel am Beginn dieses Kapitels entnehmen kann, werden die oben beschriebenen meisterlichen Bemühungen nur dann Früchte tragen, wenn die Spieler ihren Teil zum Gelingen beisteuern. Wir haben oben von der Geduld des Meisters gesprochen – auch für den Spieler lautet eine einfache Grundregel: Seien Sie nicht ungeduldig. Wenn der Meister die Beschreibung einer Situation, Kreatur oder Landschaft vor Ihnen ausbreitet, dann hören Sie ihn in Ruhe zu Ende an. Versuchen Sie, die Stimmung, die er beschreibt, in sich aufzunehmen und sich vor Augen zu rufen und brechen Sie mit der Angewohnheit vieler Spieler, aus solchen Schilderungen mit Hilfe von Zwischenfragen nur die „spielrelevanten Facts“ herauszufiltern. Diese Art der selektiven Wahrnehmung macht alle Anstrengungen des Meisters, eine Atmosphäre zu schaffen, mit tödlicher Sicherheit zunichte. Sie werden schon noch erfahren, ob Sie eine Chance haben, den Burgwächter mit „einem Pfeil zwischen die Augen zu treffen“, aber lassen Sie – bei allen Zwölfen! -den Meister doch erst einmal erzählen, daß der Burgwächter von den Sohlen bis zum Scheitel vier Schritte mißt, in einen steinaften, rostigen Kettenpanzer gehüllt ist und den Kopf eines Adlers auf den Schultern trägt… So mancher Spieler ist – nach unseren Erfahrungen – offenbar von der Vorstellung besessen, der Meister greife nur deshalb zu einer ausgefeilten und umfangreichen Beschreibung, um, während er erzählt, den Bösewichtern Gelegenheit zu geben, unbemerkt in den Rücken der Spielerhelden zu gelangen. Wenn Ihnen am Rollenspiel liegt, bekämpfen Sie diese Paranoia. Die Schurken und Monster sind Ihre Feinde, nicht aber der Spielleiter. Der scheint – ganz im Gegenteil – Ihr Freund zu sein: Würde er sich sonst alle vierzehn Tage die Mühe machen, ein Abenteuer für Sie zu gestalten? Die zweite Grundregel, die alle Spieler-Helden beherzigen sollten, lautet: Helfen Sie dem Spielleiter, wo immer Sie können! Damit ist nicht gemeint, daß Sie ständig Bier und Brezeln in seiner Reichweite halten (obwohl das nichts schaden kann), sondern daß Sie das Ihrige tun, um den Meister bei der Ausgestaltung von Situationen und Stimmungen zu unterstützen. Wir glauben Ihnen gern, daß Sie sich nicht fürchten, wenn der Meister eine unheimliche Moorlandschaft beschreibt, aber Ihr Held, der mitten in dieser Landschaft steckt und um sein Leben bangen muß, würde durchaus mit der Furcht zu kämpfen haben. Warum stellen Sie diese Angst dann nicht dar? Sie sollten bedenken, daß ein gelungener Rollenspielabend aus dem Zusammenwirken von Meistervorgaben und Spieleraktionen entsteht. Auf die Dauer ist jede Rollenspielrunde, in der Spieler und Meister sich als Gegner verstehen, zum Scheitern verurteilt. Sehr viel weiter kommt man mit einem Spiel-Modell, in dem man den Meister als Regisseur und die Spieler als Akteure betrachtet. Versuchen Sie doch einmal, tiefer in das Gemütsleben Ihres Helden einzudringen und lassen Sie ihn situationsgerecht agieren. Dazu gehört leider auch, daß Sie hin und wieder einen Scherz unterdrücken, der Ihnen in den Sinn kommt. Dem Meister liegt offenbar viel daran, daß die Gruppe ein Gefühl für die Bedrohlichkeit ihrer Umgebung bekommt, also reagieren Sie auf seine Beschreibung, indem Sie schildern, wie Ihr Held seinen Schwertgriff fester packt, näher zu den Gefährten aufrückt und, um sich Mut zu machen, ein leises Liedchen pfeift. Sofort hat sich die vom Meister entworfene unheimliche Atmosphäre spürbar verdichtet, Ihr Verhalten wirkt möglicherweise ansteckend auf Ihre Mitspieler und so erzeugen Sie gemeinsam eine stimmungsvolle Szene, an die die gesamte Runde sich später gern erinnern wird. Sie können natürlich auch des Meisters Bemühungen locker mit einem Flachscherzchen kontern („Haste Schlamm im Strumpf, biste im Sumpf!“), aber dann werden Sie nie die Erfahrung machen, daß ein atmosphärisch dichter Rollenspielabend Ihnen auf lange Sicht mehr Freude bereiten wird als das Einheimsen von ein paar kleinen Lachern…

Zwischenbemerkung (Gilt für das bisher Gesagte und das anschließende Kapitel):

Lassen Sie sich nicht davon verunsichern, wenn unsere Ratschläge bisweilen ein wenig streng und allzu anspruchsvoll klingen. Wir sind durchaus nicht der Meinung, gutes Spielen erfordere als Vorbildung mindestens drei Semester Germanistik und ein Jahr auf der Schauspielschule, sondern wir reden hier von einem abstrakten Idealzustand des Rollenspiels, der in dieser Form wohl in keiner Runde tatsächlich verwirklicht wird – und schon gar nicht in unseren Runden. Vor allem die Forderung nach der Unterdrückung von platten Scherzchen hat sich in unserer Runde nie durchsetzen lassen. Unsere Spieler sind – zum Leidwesen des Meisters – vielmehr der festen Überzeugung, daß man keine Pointe unausgesprochen lassen dürfe – auch dann nicht, wenn der Held auf der Streckbank liegt…
Es geht uns darum. Ihnen ein paar Tricks und Stilmittel vorzustellen, die Sie teilweise in Ihr Spiel einfließen lassen können. Ansonsten sollten Sie natürlich die Spielelemente pflegen, die in Ihrer Runde besonders erfolgreich sind. Und wenn in Ihrer Runde nun einmal kein Element so viel Spaß bringt wie ein zünftiges Hauen und Stechen, na, dann pfeifen Sie doch auf die von uns gepredigten Verfeinerungen. Ihnen muß der Abend Freude machen…

Diesmal lassen sich die Redax-Erkenntnisse kurz zusammenfassen:
– Die Rolle des Spielers ist es, die Bemühungen des Meisters zu unterstützen
– Er soll sich in Geduld üben
– Er soll dem Meister vertrauen
– Er soll erkennen, welche Stimmung erzeugt werden soll um dann in gehorsamer Pflichterfüllung diese mit seinem Charakter darstellen
– Er soll nicht nach Spielrelevantem suchen, das ist nicht so wichtig, wie die s-A.
– Er soll keine Witze machen

Zudem schwingt in den letzten Sätzen vor dem Einschub das Mächtigste aller Kiesow-Meme, allein es wird gar beim häßlichen Namen genannt, bleibt aber doch nebulös, mysteriös und legendenhaft. Ein Zustand dem Nirvana gleich in dem eine Entrückung, eine Entkörperlichung stattfindet, die man nur mit s-A, strenger Disziplin und Meistergehorsam sowie den geeigneten Atem- und Sprechtechniken erreichen kann. Der

ATMOSPHÄRISCH DICHTE ROLLENSPIELABEND!

Verantwortlich für mehr gescheiterte Runden und zerbrochene Freundschaften als irgendein anderes Mem im Hobby. Dem nachzujagen in der Hoffnung auf das Erfüllungserlebnis, kann nur verglichen werden mit dem Rauchen: Der „Genuß“ des Zigarettenrauchens besteht darin, ewig verdammt zu sein den ersten paar Zigaretten, die einem das wohlig-schwindelige Verwegenheitsgefühl gaben, nachzurennen. Allein, dies gelingt äußerst selten. Meist nur mit der ersten Zigarette nach langer Abstinenz auch dann ist es ein schales, von körperlicher Sucht begleitetes Erlebnis, in einer Reihe mit dem Ausziehen eines Schuhs, welcher viel zu eng ist. Aber der Vergleich mit dem Zigarettenrauchen sei vor allem darauf bezogen: Man sucht etwas, was nie oder selten gefunden wird, und schädigt dabei sich selber und seiner Umwelt (Wer wieder „brain-damage“ schreit- Sozialisation reicht als Erklärmuster aus). Ja, das Erlebnis kann sogar auf ganz anderen, gesunden Wegen erreicht werden. Insbesondere wird nur das bedürfnis des Meisters befriedigt, und zwar auf Kosten der Spieler. Denen wird aber gesagt:

„Zier Dich nicht so, dann tut’s auch nicht weh.“
„Du willst es doch auch!“

Der beschwichtigende Einschub bleibt Lippenbekenntnis. Die Büchse der Pandora ist geöffnet, wer jetzt, da er von dem s-A Nirvana weiß, noch unbedingt Hauen und Stechen will, der soll es halt machen. Bei Ihm kann jeder machen was er will. Wenn man keinen a-d-R haben will…

3 Gedanken zu „Cry, Cry, Cry Teil III

  1. Was mich immer so erschreckt, ist die Tatsache, dass die Leute auf schwulstige Beschreibungen stehen.Warum will der Spielleiter 6 Sätze auf die Wache verschwenden, wenn der Charakter gar nicht so detailliert hinschaut, sondern im Zuge dessen dass sein Körper voll mit Adrenalin ist, er den Pfeil schon in der Sekunde eingelegt haben wird, in der er nur die Silhouette des Wächters wahrnimmt.Manchmal ist weniger erzählen mehr.Schön auch der letzte Abschnitt: Ihnen muss das Spiel ja gefallen, und wenn sie an minderwertigem Rollenspiel gefallen haben, dann soll das für uns auch „okay“ sein, aber eigentlich machen Sie es falsch!

  2. Naja, das mit den schwülstigen und oft auch zu ausführlich anmutenden Beschreibungen wird ja in Beispielen oft verwendet. Der Text stellt eine Art von Rollenspiel als die beste von allen dar. Die Tipps an sich sind ja auch garnicht mal so schlecht, was daran wohl den Leuten sauer aufstößt ist das unterschwellige Verurteilen anderer Spielarten als der beschriebenen…

  3. Die Tipps können gar nicht schlecht sein Drulak, denn jede Runde spielt einfach auf ihre Art und Weise. Und genau das ist es doch.In meinen beiden Runden mache ich nicht einmal Einleitungen, sondern ich lasse im Turnus die SPieler zusammenfassen was letztes mal geschehen ist und wo wir derzeit sind, und dann versuche ich über knappe Beschreibungen am Rande dafür zu sorgen dass jeder versteht wie es in der Welt aussieht. In meinen Augen ist somit also nicht einmal wichtig dass die Spieler meine Sicht der Spielwelt haben, sondern dass die Stimmung für jeden von ihnen persöhnlich ist. Wie man sich die Burg letzten Endes vorstellt ist mir gleich, ich möchte nur dass die Spieler wissen wo der Eingang dazu ist, dass drumherum ein Wald ist und dass da Efeu hängt (Der womöglich Spielrelevanten Wert durch Klettern oder Alchemie hat).

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