Cry, Cry, Cry IV. und letzter Teil

Nutzen wir das sonnabendliche Loch um unser Großvorhaben voran zu bringen.

Das Spiel in Aventurien

Echtes Rollenspiel hängt unter anderem auch davon ab, in wie weit es den Spielern gelingt, sich in eine ferne, fremde Welt zu versetzen. Dazu sollten sie sich von so mancher Einstellung und Überzeugung trennen, die im irdischen Alltagsleben Geschmack und Handeln der Spieler bestimmen. Seltsamerweise gibt es im Spiel nur einen Bereich, in dem die Spieler sich sofort auf aventurische Verhältnisse einstellen – nämlich immer dann, wenn es gilt, die Gewalt als gebräuchliches Mittel zu Konfliktlösung einzusetzen. Woran mag es liegen, daß viele von uns gerne bereit sind, sich vorzustellen, daß sie jederzeit ihre Interessen mit dem blanken Schwert durchsetzen würden, ansonsten aber kaum ein Gefühl dafür entwickeln, wie sich Ihr Held in einer mittelalterlichen Welt fühlen und verhalten würde. Die meisten Rollenspieler kennen Beschreibungen von Politik und Alltagsleben in Mittelalter und Renaissance, können sich also eine vage Vorstellung davon machen, welche Gesellschaftsformen sie auch in Aventurien vorfinden würden. Sie fügen Ihre Helden aber nicht in diese Gesellschaft ein, sondern spielen sie wie einen irdischen Besucher aus dem 20. Jahrhundert: Sie fragen beim Trödler, ob sie eine Stretch-Hose für ihre Hexe kaufen können, sie ekeln sich, wenn sie einen fettigen Eintopf serviert bekommen (obwohl es der Wirt besonders gut mit ihnen gemeint hat), sie stellen der alten Peraine-Geweihten ein Beinchen (weil sie natürlich nicht an Götter glauben), sie verprügeln einen Grafen (weil dieser in seiner Grafschaft nicht die Demokratie einführen will) und so weiter. Kurzum: Marcus spielt eben nicht Margonin, den bornländischen Edelmann, sondern er spielt Marcus – mit einem Schwert in der Hand…
Den Helden ist es – gegen eine gewaltige Übermacht und wider alle Wahrscheinlichkeit – gelungen, den Sohn des Barons aus den Klauen der legendären Gurgelschlitzerbande zu befreien. Der Baron, nicht eben reichlich mit Dukaten gesegnet, denkt lange über eine angemessene Belohnung für die Helden nach und entscheidet sich schließlich für ein großes Jagdfest. Also informiert sich der Spielleiter über Jagdbräuche in der Ritterzeit, Wildarten, Treiber und dergleichen, zeichnet eine Karte von einem Flußtal zur Winterzeit und heckt ein paar Würfeltabellen zur Jagdgestaltung aus…
Doch was geschieht, als der Baron den Gästen stolz von seinem Vorhaben erzählt? Der Streuner legt die halb abgenagte Hammelkeule zur Seite und erklärt, daß er die Jagd barbarisch fände, und die Hexe spuckt einen Hähnchenknochen aus und verkündet, sie hetze keine unschuldigen Tiere. Zwar mögen die Spieler im Alltagsleben „ein Herz für Tiere haben“, sich vegetarisch ernähren oder nur jene scheibenförmigen Tiere essen, die zwischen zwei Brötchenhälften wachsen, aber wieso können sie sich nicht vorstellen, daß ihre Helden die Jagd als ein herrschaftliches, spannendes Erlebnis empfinden? Auch in diesem Fall gilt: Die Identifikation des Spielers mit seinem Helden sollte nicht zu intensiv ausfallen. Aventurien ist ein Ort, an dem es spannende Abenteuer zu erleben gilt, und nicht der Platz, irdische Vorlieben und Überzeugungen kundzutun – so lobenswert diese auch immer sein mögen. Anstatt sich selber in Ihrem Helden darzustellen, sollten Sie eine Figur erschaffen, die streng getrennt von Ihrer Persönlichkeit existiert. Diesen Helden können Sie dann während des Spiels mit Distanz, ja, fast mit einer gewissen Neugierde betrachten (was ich in diesem Fall täte, weiß ich ja, aber wie mag meine Amazone Bedia auf die Situation reagieren?).
Ein relativ einfaches Mittel, diese Distanz zu schaffen, ist die Sprache, derer man sich bedient. Versuchen Sie, Ihrem Helden eine eigene, aventurisierte Sprache mitzugeben. (Also nicht mehr: „Mann, is das ’ne Kacke!“, sondern: „Fürwahr, das ist ein starkes Stück!“ Nicht: „Ich mach dich alle, du Nuß!“, sondern: „Hund, willst du mein Eisen spüren?“ Es ließen sich viele Beispiele finden, aber Sie wissen schon, worauf es ankommt.) Bedenken Sie, daß „Ihr“ in Aventurien die gebräuchliche, höfliche Anrede ist. („Werter Herr, wenn Ihr wollt, daß wir Euer Töchterlein befreien, dann sollten wir jetzt über eine Entschädigung für unseren Aufwand reden…“) Gute Freunde verkehren per „Du“ miteinander -Todfeinde neigen ebenfalls zum „Du“ (Scher dich zu Boron, feiger Bube!“) Auch die dritte Person Singular wird als Anrede gern gewählt.und zwar vor allem von Adligen, die den Standesunterschied zu ihrem Gesprächspartner deutlich machen wollen („Wann hat Sie das Essen parat, Frau Wirtin?“ – „Heda, Stallbursch‘, kann Er mir den Weg zum Rahjatempel weisen?“).
Häufig lernen sich die Helden einer Spielrunde erst zu Beginn des Abenteuers kennen. Warum sollten sie sich wie alte Kumpel vom ersten Augenblick an duzen? Es kann viel reizvoller sein, zunächst beim förmlichen „Ihr“ zu bleiben, um dann bei einem Gelage nach den ersten gemeinsam durchstandenen Gefahren einander das „Du“ anzubieten. Bis dahin bleibt der auf die Form bedachte aventurische Held auch während eines Kampfes beim „Ihr“: „Werter Golo
drion, könnt Ihr diesen Oger nicht mit einem Brutzelzauber bedenken?“ – „Gewiß, mein lieber Herr Thangol, wenn Ihr mir derweil jene drei Orks vom Leibe haltet!“ Echte Aventurien-Kenner werden unseren Vorschlägen zu Anredeformen entgegenhalten, daß die „Ihr“-Anrede keineswegs überall in Aventurien verbreitet ist, daß zum Beispiel die Thorwaler jeden Menschen, auch geistliche und weltliche Würdenträger, unverdrossen mit „Du“ anreden. Nun ja, aber auch in diesen Fällen gilt, daß sich der Spieler um eine möglichst aventurische Sprache für seinen Helden bemühen und seine Rede mit typisch thorwalschen Ausdrük-ken („das wohl! bei Swafnir!“) würzen sollte. Um einen Helden möglichst authentisch erscheinen zu lassen, ist es außerdem wichtig, ihn in das aventurische Gesellschaftsleben einzupassen. Monarchie und Lehenswesen sind in Aventurien bestimmend für die meisten Gesellschaftsstrukturen und werden von den Bewohnern dieser Welt nicht in Frage gestellt. Auch die Helden sind Bewohner Aventu-riens. Woher sollten sie andere Staatsformen, zum Beispiel eine parlamentarische Demokratie, kennen? Gewiß, die Spieler haben eine feste Vorstellung von demokratischer Verfassung und Menschenrechten, aber sie sollten darauf verzichten, dieses Wissen an ihre Helden weiterzugeben. Aventurien ist ein Reich, in dem Heldensagen zur Realtität werden. Ein solches Reich kann aber nur funktionieren, wenn man Götter, Kaiser, Könige und Fürsten mit einem Mythos umgibt. Und es ist wahrhaftig nicht Aufgabe unseres Spiels, die Mythen zu „hinterfragen“ oder „aufzubrechen“. Solche Taten können dem Sozialkundeunterricht überlassen bleiben. In gewisser Weise sind die aventurischen Herrscher mit dem „König“ aus dem Märchen gleichzusetzen. Wenn es dort heißt, „in einem Land hinter dem Gebirge lebte ein alter König“, ist damit gesagt, der alte Mann besitzt die uneingeschränkte Macht über jenen Landstrich, das Volk erkennt ihn als Herrscher an und fürchtet oder liebt ihn, je nach Wesensart des Königs. In dem Märchen mag es dann darum gehen, dem König einen Dienst zu erweisen oder ihn, wenn er böse ist, trotz all seiner Macht zu überlisten. Niemand wird erwarten, daß das Märchen so weitergeht: „Da kam ein junger Bürokaufmann des Wegs, der der Meinung war, die Volksabstimmung sei dem Königtum bei weitem vorzuziehen…“

Vorhin wurde gesagt, Sie sollten versuchen. Ihren Helden als von Ihnen getrennte Persönlichkeit zu gestalten – nun das Rollenspiel in einer feudalistischen Gesellschaft mag Ihnen ein Stück weit dabei helfen, diese Trennung zu vollziehen. Wenn es auch hier auf der Erde und in unserer Zeit durchaus angebracht ist, allen „Führergestalten“ mit tiefer Skepsis zu begegnen, so kann es doch sehr reizvoll sein, den aventurischen Helden mit einer völlig anderen Einstellung auszustatten. Können Sie sich nicht vorstellen, welch tiefe Beklommenheit jeden Aventurier erfaßt, der zum ersten Mal seinem Landesfürsten Auge in Auge gegenübersteht, oder daß es einen Ritter aus Mendena mit Stolz erfüllt, wenn „sein“ Kaiser ihm einmal die Hand auf die Schulter legt? Warum sollte das bei Ihrem Helden anders sein? Wenn Sie Ihrem

Helden solche Gefühle mit auf den Weg geben, werden Sie selbst die Ferne und Fremdartigkeit der Welt Aventurien sehr viel stärker empfinden.

In vielen Rollenspielrunden – zumal in solchen mit niedrigem Durchschnittsalter – herrscht die Unsitte vor, aventurische Autoritäten mit irdischen gleichzusetzen. Der Spieler stellt den Herzog von Weiden in eine Reihe mit seinem Lehrer oder Werkstattmeister, den er ohnehin nicht leiden kann, und findet sein Vergnügen darin, den Würdenträger nach Herzenslust anzupöbeln. Wir halten solche Szenen für ein sehr vordergründiges Vergnügen, das auf die Dauer der Stimmung am Spieltisch nur schaden kann. Es paßt einfach sehr viel besser in eine Fantasy-Welt, wenn der junge Held dem würdigen Herrscher mit Achtung begegnet und in höfischer Geste das Knie vor ihm beugt. Das bisher Gesagte soll aber auf keinen Fall den Eindruck vermitteln, alle aventurischen Potentaten seien wirklich hervorragende, verehrungswürdige Menschen. Auf der Spieler-Ebene sollte sich jedermann klar darüber sein, daß auch auf einem Königsthron ein feiger Schwächling sitzen, daß der alte Burgherr in Wahrheit ein intriganter Schurke sein kann; die Helden aber sollten – ihrem Weltbild gemäß -getrost davon ausgehen, daß jeder Mensch, der ein hohes Amt bekleidet, dieses auch verdient und erfüllt. Umso tiefer dürfte die Erschütterung der Helden ausfallen, wenn sich im Verlaufe eines Abenteuers herausstellt, daß der strahlende Graf, der Bezwinger des Tatzelwurms, in Wahrheit ein Erzverbrecher ist-

Vieles von dem, das über das Leben in der aventurischen Gesellschaft gesagt wurde, kann auch für die Religion gelten. Die aventurischen Götter sind körperlich existent – kein Aventurier hat einen Grund, an dieser Tatsache zu zweifeln: Zu oft wurde ihm von Götterwundern berichtet, möglicherweise hat er selbst einmal eines erlebt. Also macht es keinen Sinn, wenn Sie Ihren Helden als Atheisten darstellen oder einfach als ungläubigen Tropf, der sich über alle Geweihten lustig macht. Der Besuch im Tempel, die Bitte um göttlichen Beistand, der Dank für göttliche Hilfe sind feste Bestandteile des aventurischen Alltagslebens. Jeder Aventurier, der ein typisches Abenteuer des Schwarzen Auges lebend übersteht, würde tiefe Dankbarkeit für seine Götter empfinden. Solche Gefahren überlebt zu haben, wäre ihm Gottesbeweis genug, auch ohne daß er eines echten Wunders teilhaftig wurde. Wenn Sie sich bemühen, die Gläubigkeit Ihres Helden darzustellen, ist dies ein weiterer Schritt, um die Spielfigur mit einem eigenen Charakter auszustatten.

Bedenken Sie auch, daß ein aventurischer Zwolfgötter-Gläu-biger wahrhaftig an alle Zwölf (!) Götter glaubt. Der typische Spieler-Satz, „ich glaube an Phex, du kannst mir mit deiner Rondra gestohlen bleiben“, wäre in Aventurien undenkbar. Natürlich wird sich ein Dieb unter Phexens Schutz stellen und dessen Beistand für seine Unternehmungen erbitten, aber deswegen wird er Praios nicht weniger fürchten. Er weiß einfach, daß es keinen Sinn hat, den Götterfürsten um Hilfe bei einem Diebesstück zu bitten, und er weiß auch, daß

Praios solche Dinge nicht gerne sieht. Also wird er alles tun, um ihn nicht zusätzlich zu reizen…

Es ist auch denkbar, daß ein Held sich gegen die Götter auflehnt, weil er sich vom Schicksal, das die Götter lenken, ungerecht behandelt fühlt. Auch das kann eine interessante rollenspielerische Einstellung sein, die der Spielfigur eine besondere Farbe verleiht. Auf jeden Fall ist ein Autbegehren gegen die Götter allemal stimmungsvoller, als wenn ein neuzeitlich pragmatisch gespielter Held den Götterhimmel überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt.

Einen Helden zu spielen…

Irn voraufgegangenen Text wollten wir Ihnen vor allem darlegen, wie wichtig es für Ihr Spiel ist, daß Sie zwischen Spieler- und Heldenpersönlichkeit zu trennen lernen. Das soll aber auf keinen Fall bedeuten, daß Sie Ihren Helden lieblos und wie eine Spielfigur durch die Abenteuer führen. Nein, nachdem die Trennung einmal vollzogen ist, sollten Sie es sich zur Aufgabe machen, den Helden mit so viel Leben wie nur irgend möglich zu erfüllen. Machen Sie sich zum Beispiel – das ist relativ einfach – stets ein Bild von der äußeren Erscheinung Ihres Helden. Wenn er sein bestes Praiostagsgewand tragt, wird er darauf achten, daß es nicht mit Straßenschlamm bespritzt wird. Wenn er gerade einen Sumpf durchquert hat. wird er seine Kleider reinigen wollen, bevor er eine Ansiedlung betritt. Wenn er in der Linken einen Bogen und in der Rechten ein Schwert trägt, wird er keine Truhe vom Boden aufheben usw. Außerdem sollten Sie es von Anfang an vermeiden, von Ihrem Helden in der dritten Person zu sprechen: „Mein Krieger fragt ihn mal. ob er was mit der Sache zu tun hat…“ Was für ein schlapper Satz! Wieviel besser kommt es da, wenn Sie mit energischer Stimme sagen: „Rede, du Schurke! Steckst du mit drin?“

Wie wäre es überhaupt, wenn Sie sich gelegentlich an kleinen schauspielerischen Einlagen versuchten? Gewiß gehört ein wenig Mut dazu, aber wenn Sie nicht gleich zu dick auftragen, wird man Sie schon nicht auslachen, und die Mitspieler werden Ihre Anregungen rasch aufnehmen. Um einen Anfang zu machen, könnten Sie immer dann, wenn es im Abenteuer auf Geräuschlosigkeit ankommt, tatsächlich im Flüsterton mit Ihren Mitspielern sprechen oder sich gar in Zeichensprache mit ihnen verständigen. Ein nächster Schritt wäre es. Ihre Stimme und Sprache der Gefühlslage Ihres Helden so weit wie möglich anzupassen. Niemand erwartet, daß Sie dies so überzeugend tun wie ein Burgschauspieler, aber es ist auch nicht sehr schwer. Ihrer Stimme bei der Frage „du hast also wirklich nichts gesehen?“ einen leisen, lauernden Klang zu geben oder den Satz „bei Rondra, das wirst du mir büßen!“ ein wenig lauter und kräftiger auszusprechen.

Versuchen Sie es ruhig einmal, was haben Sie dabei zu verlieren?

Um die Rolle Ihres Helden abzurunden, sollten Sie stets darauf achten, sein Auftreten und Verhalten seiner Erfahrung und seinem Ruhm (also seiner Stufe) anzupassen. Dieser Rat gilt natürlich vor allem für besonders niedrig-öder hochstufige Helden. Spielfiguren, die „im Mittelfeld liegen“, müssen sich über ihre Wirkung auf die Umwelt nicht unbedingt stets Rechenschaft ablegen. Der Autor ist einmal bei einem Spielenreffen als Meister auf zwei Krieger der 18. Stufe gestoßen, die sich fast einen (Spiel)Tag lang vom einem Begrüßer (Hotelportier) auf der Nase herumtanzen ließen: „Der Herr läßt Euch bestellen, Ihr mögt noch zwei Stunden warten – der Herr hat eben das Haus verlassen, wird aber bald wieder zurück sein – tretet bitte vom Tresen zurück, ich muß mich jetzt um die Gäste kümmern“ usw. Die beiden Krieger – mehrfache Basiliskentoter. versteht sich – akzeptierten einfach, daß ein Begrüßer hinter einer Theke eine Respektsperson ist, der sich jedermann zu fügen hat. Daß sie selber, bei all ihren Ruhmestaten, ihrer Umgebung sehr viel mehr Respekt einflößen müßten, daß sie einen Portier, der nicht spurt, mit einem pädagogischen Griff ans Ohr sofort auf Touren bringen könnten, kam ihnen nicht in den Sinn…

Leider spielt der Autor und Meister in dieser Anekdote auch nicht gerade eine vorbildliche Rolle. Damals war er halt noch jünger, böswilliger und hatte so manche Einsicht über gutes Rollenspiel selbst noch nicht gewonnen. Statt seinen Spaß daran zu haben, die Recken zu schikanieren, hätte er nämlich von vornherein die Reaktion der Umgebung auf zwei solche Heldengestalten angemessen darstellen müssen. Ein hochstufiger Held hat normalerweise schon eine besondere Behandlung durch den Meister verdient. Man muß einfach davon ausgehen, daß ein Kämpe, der eine lange Reihe von Abenteuern durchgestanden, vielen Schurken das Handwerk gelegt und vielen Menschen das Leben gerettet hat, sich in so mancher aventurischer Stadt einer gewissen Prominenz erfreut. Lassen Sie als Meister die Bürger so agieren wie sich auch heute die Erdenmenschen bei der Begegnung mit Prominenten verhalten. Beschreiben Sie jene typische Mischung aus Neugierde, Ehrfurcht und Aufdringlichkeit. Einem berühmten aventurischen Helden werden sich leicht viele Türen Öffnen, so mancher Händler und Handwerker wird sich schier zerreißen, um ihm gefällig zu sein. Andererseits wird er sich kaum durch die Straßen bewegen können, ohne daß ihm ein Schwärm von Kindern und Jugendlichen folgt, ein vermeintlich heimliches Rendezvous wird blitzschnell zum Stadtgespräch, und in der Schänke kann er sich vor spendierten Bieren und schulterklopfenden Händen kaum retten. Es ist Spielleitersache, den oben beschriebenen Rahmen zu schaffen, in dem dann die Spieler ihre ruhmreichen Kämpen angemessen bewegen sollten: Zum Beispiel gibt es nur wenige Leute, von denen ein Held der 18. Stufe einen Befehl, einen Rat oder einen Auftrag annimmt. Bei Verhandlungen ist er es gewohnt, die Preise festzusetzen und die Umstände zu bestimmen. Seine Gegner wählt er danach aus, ob sie ihm ebenbürtig sind. Ein Kriegerveteran mit vollendeten Kampf-

werten stellt sich so leicht keinem jungen Heißsporn zu einem echten Schwertduell. Er wird auf eine solche Herausforderung je nach Temperament mit einem nachsichtigen Lächeln oder mit einer schallenden Ohrfeige reagieren. Ein jugendlicher Held auf der anderen Seite wird seine Gegner keineswegs immer danach aussuchen, ob er ihnen gewachsen ist. Er hat die Erfahrung seiner Grenzen noch nicht gemacht, neigt darum zur Selbstüberschätzung und ist außerdem stets darauf aus, seinen Ruhm zu mehren, indem er sich mit namhaften Gegnern anlegt. Außer dem Hang zur Selbstüberschätzung sollten Sie als Spieler einem frischgebackenen Helden die Fähigkeit zum Staunen und eine gefährliche Portion Leichtgläubigkeit mit auf den Weg geben. Auch dürften Geduld und geschicktes Taktieren nicht unbedingt zu seinen Tugenden gehören… Womit wir beim letzten Ratschlag dieser kleinen Anleitung zur Verfeinerung des Rollenspiels angekommen wären: Scheuen Sie als Spieler nicht davor zurück, Ihren Helden in

gewissen Charakterzügen zu schwächen und ihn so ein Stück weit „dem Meister auszuliefern“. Haben Sie Vertrauen zu ihrem Spielleiter: Ein guter Meister wird Ihnen dieses Verhalten danken, indem er Ihren Helden in schöne spannende (aber keineswegs mörderische) Abenteuer verstrickt. Es fällt dem Meister sehr viel leichter, eine plausible Handlung zu konstruieren, wenn ihm die Spieler ein wenig entgegenkommen und ihre Helden geradewegs in ein Abenteuer hineinstoßen, als wenn sie sich mit Händen und Füßen dagegen sträuben. Ihre Helden in eine gefährliche Situation verstrik-ken zu lassen.

Spieler und Meister sind schließlich zusammengekommen, um gemeinsam ein Abenteuer zu erleben. Jede Rollenspiel-runde ist vom Austrocknen bedroht, in der das Verhältnis Spieler-Meister vor allem von Konfrontation geprägt ist, wohingegen eine echte Kooperation zwischen den Parteien ein sicherer Garant für viele spannende und äußerst befriedigende Spielabende ist.

Dieser Teil ist relativ unspektakulär. Aber folgende Punkte bleiben anzumerken:

  • Echtes Rollenspiel – es gibt also falsches Rollenspiel
  • Die Probleme mit Vegetariern und Stretchhosen-Spielern waren mir mit 12 unbegreiflich und sind es jetzt noch mehr. Mit was für Spacken spielt den die Redaktion?
  • Daß überhaupt das Spiel mit solchen Details wie Fettaugen in der Suppe aufgehalten wird, ist bester Beleg für die größte Landschaftseinheit in Aventurien: Ödistan, Paragon er Langeweile und Belanglosigkeit
  • Das Ätzendste sind die Anweisungen über den Umgang miteinander. Diese method-acting Rumsülzerei, Stimmungshurerei und „Rondra zum Gruße“ Geschwafel ist dermaßen albern, daß dies, mehr als alles andere, vom eisernen Willen zum Totaleskapismus zeugt. Wenn man keine spannenden Abenteuer erlebt, bleibt einem wahrscheinlich nichts anderes, als aus dem Zug zu winken und „Das Wohl!“ zu rufen…[diese Beudeutungsschwangeren, vielsagenden Pünktchen habe ich mir mal aus der Redax ausgeborgt. Die haben die auf Halde gekauft, das fällt garnicht auf].

Alles in allem in Stein gemeißelte Anweisungen für die Spielleiter, welche ihre unheilvolle Wirkungsgeschichte noch nicht beendet haben.
Angemerkt sei noch, daß diese beliebte Reihe in diesem unserem Blog mehrere Nebendiskussionenserföffnungen gezeitigt hat. Es gibt Stimmen, welche eher Hadmar Wieser als Autoren vermuten. Dies soll unsere Bewertung aber nicht ändern.

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14 Gedanken zu „Cry, Cry, Cry IV. und letzter Teil

  1. Zitat:Diese method-acting Rumsülzerei, Stimmungshurerei und „Rondra zum Gruße“ Geschwafel ist dermaßen albern, daß dies, mehr als alles andere, vom eisernen Willen zum Totaleskapismus zeugt.*Hüstel*Ein wenig mehr Toleranz bitte ;)Ich kenne jede Menge Leute, die Tendenzen zum Method Acting haben und damit wirklich Spaß daran haben. Auch mir macht das ab und an Spaß.Die Gesichter meiner Mitspieler als mein Malkavianer einen hysterischen Anfall erlitt der in konvulsivische Zuckungen überging, dann begann, in Zungen zu sprechen und schließlich eine astreine Prophezeihung aussprach waren den Aufwand mehr als wert.Selbst dem SL,. der eingeweiht war liefen kalte Schauer über den Rücken. Allen Mitspieler hat die erzeugte Atmosphäre zugesagt, und das ist die einzige Rechtfertigung, die es dafür braucht.

  2. Schön, daß Du gefunden hast, was Dir Spaß macht. Allein, ich wehre mich aufs Äußerste, dies zum Streben des ganzen Rollenspielabends zu machen. Und mit den „Kiesow“ Tips wärst Du über die passende Clanbegrüßung auch nicht hinausgekommen. Fantasieloser und Langweiliger ist Rollenspiel kaum denkbar als aventurische Grußformeln und Spruchnamen auswendig aufzusagen.

  3. Ja, diese „Mittelalter“-Marktsprache ist schon ziemlich albern, wenn man es so ins Extrem treibt.

  4. @Settembrini:Einen Abend lang geht das durchaus. Aber auf Dauer hab ich dann auch gern ein wenig Abwechslung – Hardcore-Immersions-Method-Acting-Spiel kann Spaß machen. Old-School-Dungeoncrawl-Monsterbashing ebenso. Und natürlich die Beschäftigung mit existentiellen Fragen und das Treffen von Entscheidungen in moralischen Grauzonen. Oder Cinematische BLockbuster-Action à la „Die Hard“. Alle das hat seine Existenzberechtigung, all das hab ich schon gespielt, all das macht mir Spaß. Die Präferenzen wechseln alleridngs je nach Laune und Runde(Ich hab keine feste Gruppe und spiele nur sehr unregelmäßig).Jeder Stil ist im Übermaß oder gar als alleinige Form des Spiels betrachtet spaßmindernd.Ganz besonders albern find ich allerdings sogenannte „Method Actors“ deren „Method Acting“ sich auf das Verwenden von Floskeln wie „Rondra zum Gruße“ und das zitieren der niedergeschriebenen Gebote Rastullahs beschränkt und das dann für die Krönung „guten“ Rollenspiels halten.Amüsant eigentlich ;)

  5. Aber amüsant ist es trotzdem, einen SC mit „He Bursche“ anzureden, das kommt immer gut. :-)

  6. D&D kann man nachweislich zweimal die Woche spielen, ohne sich zu langweilen. Ist eben solide, handwerklich und strukturell gut gemacht. Un dieses Maß an Professionalität wünsche ich mir auch für andere Spielweisen, z.B. Detektivabenteuer.

  7. Hi,sehr interessant, deine vierteilige Kiesow-Analye. Hättest du Lust, zu der Thematik ein Interview für die LORP zu geben? Falls ja, schreib mir mal eine email (strategon@email.com). (Deine Email ließ sich in diesem Blog irgendwie nicht ausfindig machen, oder ich war zu doof, sie zu finden …)Strategon

  8. @Gemüse,wer sich zum Erfüllungsgehilfen des Hofrates macht wird ignoriert, das müsstest Du doch wissen. ;-)

  9. @Tom: Ich bin nicht sein Gehilfe. Und widerspreche ihm auch ab und zu. Aber wo er recht hat, hat er recht! :p

  10. @gemüse-ghoul,wir hatten ja Gelegenheit auf dem Cthulhu Con drüber zu reden. Auch wenn ich nicht gespielt habe. Dafür gab es auch einen Rüffel von der Orga. SPIELEN SPIELEN SPIELEN, nicht faul in der Sonne rumsitzen.Ach ja Unknown Armies kam auch gut an bei den Leuten. *g*

  11. @set,kann ich dir nicht sagen aber zeitweise waren 20 Rundenzettel am Aushang. Soweit ich es mitbekommen habe sind alle Spieler zu jeder Zeit untergekommen.Ausser mir, ich saß dann doch lieber in der Sonne. :D

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