Your gonna break another heart, you gonna tell another lie

Sprechen wir über Popkultur. Und ihren Mißbrauch.
Meine entzündeten Augen mußten heute im „Spiegel“ (Nr 5/30.01.06) folgendes Lesen:

„Der typische Arbeitseinsatz von Deutschen im Irak gleicht dann auch eher einem Angriff auf den Todesstern von Darth Vader: wie aus dem Nichts einfliegen, den Job im Höllentempo erledigen, dann so schnell wie möglich wieder raus – damit einen die Jäger nicht erwischen.“

Das ist auf sovielen Ebenen falsch, anrüchig und scheiße, daß ich garnicht weiß, wo anzufangen.

Das ekeligste sei explizit genannt: Die Anbiederung an die Popkultur durch irgendeinen Vierzigjährigen Schreiberling, der Star Wars wahrscheinlich letztens bei Pro Sieben zum erstenmal gesehen hat, und sonst nur Latte Macciato zu irgendetwas ganz abgefahrenem und jungem wie „Wir sind Helden“ trinkt, damit er „am Puls der Zeit bleibt.“ Man munkelt er will vielleicht sogar nach Berlin ziehen.
Und dann auch noch falsch. „Darth Vaders Todesstern“. Mann, für den sollte man mal Beethovens „Erotica“ spielen, diesem Helden des erläuternden Bildes. Dummkopf. Übrigens Mr. Spiegel: Wir Europäer haben etwas wie abendländische Tradition, auch wenn das bestimmt ganz bös Reaktionär ist. Wie wäre es mal mit einem Bild aus der Antike? So wie es seit Zweitausend Jahren gemacht wird? Oh, das würden die Leser nicht verstehen? Zu schade, da hätten sie wohl nachgucken müssen, wer Orpheus oder meinetwegen die Argonauten sind. Oder weißt Du nicht wer Orpheus war? Tja, lieber Kanonier des „Sturmgeschützes der Demokratie“: amerikanische Munition paßt nur in amerikanische Waffen. Für Sprachbilder, Metaphern und Analogien gibt es kein NATO-Standardkaliber, zumindest noch nicht. Denn in den USA kennen die Schreiberlinge dann wenigstens Star Wars wirklich, und die Antike etwas weniger gut. Aber Du, Du Wurst, kennst weder das eine, noch das andere.

Spiegel eben.

11 Gedanken zu „Your gonna break another heart, you gonna tell another lie

  1. Ich würd da nicht den Spiegel komplett verurteilen – je nach Autor gibt es da auch gute Artikel.Ob der jetzt das Bild vom Angriff auf den Todesstern oder Orpheus bei der Befreiung von Eurydike benutzt (wobei letzteres für seinen Zweck wahrscheinlich nicht recht passend wäre) ist mir an sich völlig egal. Was mich stört ist, daß in einem NACHRICHTENmagazin überhaupt solche Bilder verwendet werden. Bei Nachrichten will ich Fakten und keine schwammigen Metaphern.Wenn es ein Kommentar ist, dann kann er meinetwegen Metaphern benützen – aber deswegen les ich im allgemeinen keine Kommentare.Es sei denn, diejenigen aus (WERBUNG!)www.schandmaennchen.de (beste deutsche Politsatire-Seite).

  2. Eine korrekte Referenz auf Popkultur würde nicht zu erklären versuchen, sondern davon ausgehen, dass das Bild von den Lesern verstanden wird. Also „wie der Anflug auf den Todesstern“, oder „man meint, die Eroica läge in der Luft“. Eine Metapher muss für sich stehen können, sonst kann man sie auch lassen.Schon die Erklärung: „wie aus dem Nichts einfliegen, den Job im Höllentempo erledigen, dann so schnell wie möglich wieder raus – damit einen die Jäger nicht erwischen.“ ist eigentlich unnötig und kann man höchstens bei abstrakten oder obskuren Bildern benutzen. Ich lese Spiegel.de als Überblick, was denn so „nachrichtenwürdig“ ist, aber der Schreibstil ist denn doch oft so wie hier. Herr Sick hat wahrscheinlich mit seinem dritten Buch genug zu tun, um nicht so etwas noch zu korrigieren.Aber: Ich mag „Wir sind Helden“, wenn auch nicht die ganzen anderen Frontfrauenbands der Moderne.Und nun zum eigentlichen Grund meines Besuchs: Rich Burlew hat letzte Woche auf zwei Comics umgestellt, nur noch Mo/Mi, damit er mit der Zeit hinkommt. Gute Entscheidung. Und jetzt ist Donnerstag… und Mittwoch war nix. So eine Superpflaume.

  3. @onanym:Ich gehe davon aus, Settembrini hat das bewusst so formuliert.@settembrini:lol. Die Bürgerbild halt!

  4. Zauberberg-Leser wissen natürlich, daß Erotica anstatt Eroica zu sagen der Gipfel der Pseudo-Bildung und damit verbundenen Peinlichkeit ist. Sich darüber aber aufzuregen ebenso Kleingeistig erscheinen kann. Dieser Querverweis war also doppelt selbstironisch. Denn eigentlich ist der Spiegel ein zu billiges Opfer, genauso, wie Fernsehtalkshows.

  5. wie eine freundin mal so richtig anmerkte: die bildzeitung des bildungsbürgertums.da lobe ich mir schon die faz, auch wenn mir bei den politischen kommentaren manchmal die galle hochkommt.

  6. …Dann stell Dir mal vor, dieses Gefühl hättest Du, sobald Du irgendein Medium außer der F.A.Z. oder dem DLF nutzt. Was toppt den Spiegel, aber jeden Sonntag?Der Biolek der Politsendungen:Sabine Christiansen!

  7. GANZ grosses Interview mit dem weltbesten Präsidenten ever…oder bestem weltpräsidenten…ja, ja, wir müssen CO2 neutral werden, daher Atomkraft…

  8. Ich habe mir den Text des Interviews gerade durchgelesen, und muß sagen: Bush hat viele Punkte gemacht. Und Sabine hat mal wieder gezeigt, daß sie von ihrem hinterwäldlerischem Sozialkundelehrer Meinungsroß nicht runterkommt. Bush wins.

  9. Im dem Sinne, daß er das rüberbringen konnte, was er wollte. Und angegriffen hat sie ihn nur aus dt. Sicht. Seine echten Mängel liegen woanders. Aber Kritik ist in dt. auch eine bedrphte Spezies.Jemanden wie Stephen Colbert bräuchten wir, haben aber nur Harald Schmidt und den Scheibenwischer.

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