Setzt aufs Klosterdach den roten Hahn!

Vielen Dank zunächst für die bedenkenswerten Zeilen.
Von einem Irrtum meinerseits bezüglich der Schwere der Stimmungserzeugung kann keinerlei Rede sein, es ging um die Leichtigkeit, diese sich selbst emporzurufen. Die impulshafte Natur, die den meisten Sentiment-Aventuiren zugrunde liegt, sollte klar aufgezeigt werden. Ein Sentimentmodul entsteht aus der oft platten, immer aber spontanen Gefühlsregung des Spielleiters. Dieser Genese ist eben die schlechte Ausführung zuzurechnen. Denn daß diese Abenteuer fast immer schlecht und selten brauchbare Textvorlagen sind, darüber herrscht nun auch gemäß Deiner Zeilen Einigkeit zwischen uns. Das von Dir zitierte gute Beispiel, sei ausdrücklich emporgehoben und gelobt, aber gleichzeitig für das herausforderungsbezogene, vulgo Abenteuerrollenspiel vereinnahmt. Dies hat einen einfachen Grund: Gefragt sind der Witz der Spieler, um die Vorgänge im Kloster zu elucidieren, es gibt nichtmal einen gedachten Verlauf, Freiheit ist das Motto solcher detailliert angelegter Criminalfälle. Sicherlich mag die fach- und sachkundige Schilderung des Klosteralltags sowie der Räumlichkeiten der Stimmung zuträglich sein, jedoch Kern der Handlung ist es nicht. Sentiment ist daran, wenn überhaupt, dann Beiwerk, zur Überhöhung der rätselhaften Mordio. Alles in allem muß eben streng geschieden werden, zwischen der individuellen Motivation des Meisters, also seinem Handlungsziel und vorgefertigten Texten auf der einen, und dem tatsächlichen Verlauf des Abends auf der anderen Seite. Selbstgefertigte Abenteuer entstehen, wie ich es in meiner ersten Einlassung beschrieb. Die Entstehungsumstände von Verlagsabenteuern werden und wurden ja hinreichend diskutiert, wir können zusammengefaßt von verhinderten Kurzgechichten oder Novellen sprechen. Denn die Motivlage ist eben nicht, den Spielern einen schönen Abend zu bescheren, sondern dies nur im Falle der Verwirklichung des Meisterstimmungsziels zuzulassen. Oft geht es um genau eine wichtige große Szene, deren Umgebungssentiment wahrheitsgetreu aus dem Herzen des Highlords in die Herzen der Spieler überspringen soll.

Aber nun gut, nehmen wir mal alle unterstellten Schwundformen beiseite. Nehmen wir an, der Meister intendiert seine Spieler emotional zu erfreuen, auf sie einzugehen. Weiterhin sei das Modul äußerst hilfreich dazu, und die Regeln harmonieren mit den spezifischen Bedürfnissen der Gruppe. Wir haben dann ein Medium, eine Freizeitbeschäftigung, bei der organisiert Emotionen transportiert werden, und zwar im direkten Richten. Ein Scheitern gibt es dann nicht, da ja alle mitmachen, jeder Rücksicht nimmt, der Ball hin- und herschwebt. Wir haben dann einen engen Zirkelschluß von Menschen, die sich gegenseitig ein gutes Gefühl vermitteln, und dabei systematisch voll in eine Spielwelt abtauchen, in der sie nicht scheitern können. Denn alles scheitern kann und wird, wie von Dir so richtig erkannt, nur als sozialer Druck zur Einhaltung der Konsistenz und der Augenblicksatmosphäre genutzt. Scheitern ist in diesem Sentimentszirkel immer Bestrafung des Spielers! Eine gefährliche Mischung, wenn wir wieder bedenken, wie leicht einer ausscheren mag. Doch idealtypisch soll es ja sein.

Versagen ist also ausgeschlossen, die Gefühle werden direkt geliefert. Gegenseitige Bestätigung ohne Leistung, ohne Gefahr, verschärft durch zusammenführendes soziales Momentum.

Hier sei dann die Frage gestattet, welche Topoi denn bei dieser Emotionsmaschine verarbeitet werden? Die Antwort darauf zeigt schnell, ob die intensive Gruppenerfahrung zur Horizonterweiterung oder eher zur Abschottung dient. Flucht oder Forschung, das wird im Einzelfalle gar leicht zu beantworten sein. Hier sei nochmal hingewiesen, daß die angedeuteten Individualmotivationen nicht zuerst da sind. Aber diese sind die enzigen, die vermittels Stimmungsspiel bedient werden können. Da also, wenn man nichts anderes kennt, nur diese Spielweise offenbleibt, so sind viele Deutsche dazu verurteilt, diese Erfahrung zu suchen.

Innerhalb meines Wertekanons wird somit eine Verurteilung des Stimmungsspiels als gefährliche Spielweise zur einzig logischen Alternative.

Das Abenteuerrollenspiel hingegen ist strukturell vollkommen anders zu bewerten. Zwar sind die Topoi meist literarisch vollkommen banal (da sie mit denen der Sentimentsmaschinerie übereinstimmen), aber dadurch daß Witzigkeit und Nervus der Spieler gefordert werden, eine Hürde zu nehmen ist, ist es eben ein ganz normales Spiel; unterliegt somit der gleichen Bewertungsschablone wie alle spielende Tätigkeit. Und die Hürden aufzustellen ist eben mehr, als diese and die Spieler anzupassen. Abwechslung, Konsequenz und Raffinesse sind nur durch Fleiß zu erreichen. Das Spektrum des hohen Anspruchs mag bei beiden Formen groß sein, aber realisiert wird die hohe Form beim ARS regelmäßig. Zeugnisse von anspruchsvollen Themen im Stimmungsspiel suche ich noch vergeblich. Doch soll sich der Leser nicht am Anspruch aufhängen, der Grundgedanke ist: Gefahrlose, anstrengungslose Emotionstransfers sind strukturell bedenklich. Dazu kommen all die geschilderten Randbedingungen, die das Erreichen dieses Stadiums erschweren, und also stark marktbegrenzend, aber selbst bei den Interessenten stark spaßbegrenzend wirken.

O.R.K.

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