And that was his robe his purple robe

Auf dem in Bälde digital aufbereiteten PESA-Gipfel nahm ich als peripheres Ereignis nähere Informationen zu Unknown Armies auf. Und siehe, wieder scheine ich alles viel besser zu verstehen, als die Macher selbst. So schmerzt es, daß (außer mir?) keiner das großartige Potential und das Hauptproblem in Unknown Armies sieht.
Das Problem ist kommunikativer Art, aber auch struktureller, bestimmt nicht aber Strucktour-eller, will sagen das Spiel an sich, und nicht Vortex, Struck oder Jasper sind das Dilemma. Das KommBlem ist, überhaupt zu erklären, was man mit UA machen soll, warum man es spielen soll. Dies wird auch wieder deutlich im sehr angenehmen Interview mit dem ChefRed Jasper im RPG-Radio (in dem S. Franks die guten und wichtigen Fragen stellt, und die Lichtstrahlen, wenn auch nicht der Ausgangspunkt = dieser Leuchtturme, beim Namen genannt werden).
Denn derzeit wird so getan, und gedacht, daß UA ein Rollesnpiel sei. Dies führt zu gescheiterten Runden, frustrierten Spielern auf Cons und staubsammelnden Regelwerken. Warum?

Zunächst, worum geht es überhaupt:

Die Grundidee ist, daß es übernatürliche Phänomene in der Welt gibt. Dieses soll/kann man dann Herausfinden. Weiterhin ist de große Trick, daß die Menschheit sich ihre Welt selbst geschaffen hat, also eine moderne Variante von den Tolkienschen sich die eigene Welt erträumenden Elben. Es gibt einen Rat aus 333 (warum auch immer diese Zahl) Obermackern, die sobald sie ihre Zahl ganz erreicht haben, die Welt komplett neu erschaffen, und zwar nach ihren Wertevorstellungen. Da also die ganze Welt aus Überzeugungen aufgebaut ist, kann man/jeder mit ausreichend starken Wertvorstellungen die Realität schon vor der Neuerschaffung beeinflussen, also Übernatürliches bewirken. Die selbstgewählte Rolle, als Verkörperung bestimmter Prinzipien, kann einem eben Macht geben über die Realität. Wer ganz doll Loyalität verkörpert bekommt dafür dann irgendwann kewl powerz. Natürlich gibt es bei denen, die wissen wie der Hase läuft Fraktionen und Konflikte, auf mehreren Erkenntnisstufen. Diese Konflikte kann man dann zu Abenteuern machen, aber vieles im Buch und in den Abenteuern zielt auf die Bauchnabelschau der Personnagen bei der Gegenwärtigwerdung ihrer wirkungsmächtigen Überzeugungen ab. Und natürlich den Auswirkungen dieser Vergegenwärtigung auf die geistige Gesundheit.
Es geht letzlich dann um Meta-Konflikte.
Und da liegt der Hase im Pfeffer. Kein normaler Rollo interessiert sich einen Scheiß um Wertekonflikte als Hauptthema! Denn die sind hohl (nicht hohl wie dumm, sondern hohl wie ohne Inhalt)! Man spielt ja eh schon ein Psychospiel, da erwartet man sowieso den Mindfuck.

Einschub.
Die meisten Runden dürften aber soweit garnicht kommen, da die Spieler einfach nur eine merkwüdige Welt erleben, zu denen ihnen jedwede Bindung fehlt. Ohne Bindung keine Überzeugungen, kein emotional relevanter Konflikt.
Ende Einschub.

Und also folgerichtig ist UA gar kein Rollenspiel, sondern maximal eine spezialisierte Kampagne. Aber der eigentliche Wert wird garnicht erkannt, und zwar als Kampagnen Add-on! Ja, nur dann kann es überhaupt richtig rocken! Unknown Armies sollte im Hintergrund von ganz anderen Spielwelten laufen, dann geht’s ab für ne Mark.
Ihr spielt so vor Euch hin, habt NPCs die ihr mögt, Gruppen die ihr doof findet, habt Charaktere mit Vorlieben und Aufgaben, ihr seid emotional eingebunden. Wenn dann, meinetwegen in Aventurien, herauskommt, daß es verschiedene Ebenen von Verschwörungen gibt, wenn ihr herausbekommt, daß eure Geweihten die Macht nicht von Göttern, sondern letzlich von euch selbst bekommen, dann kann der Mindfuck seine Wirkung entfalten, dann wird die Verantwortung für das große Ganze zu einem spannenden Unterfangen. Wenn am Ende herauskommt, daß die Zwölfgötter ein Kommittebeschluß der letzten 333 sind, oder daß der Namenlose eigentlich ein durchgeknallter extrem überzeugter Zusammenschluß von Ultraanarchos war, oder ihr gar am Schluß der Kampagne Aventurien neu erschaffen dürft, gemäß Euren durch langes spielen gewachsenen Vorlieben, dann ist großes Tennis angesagt.
Bei der derzeitigen Version aber sitzen die meisten Spieler mit Fragezeichen oder schlimmer mit Achselzucken in der Gedankenblase am Tisch, und haben da nichts von. Die Zahl derer, die zu einer offensichtlichen Mindfuckwelt keinen Bezug entwickeln, und auch keinen großen Antrieb haben, den Merkwürdigkeiten auf den Grund zu gehen, dürfte Legion sein. Der Mindfuck darf nie Hauptthema sein, denn dann verliert er Wirkung.

Der Hofrat rät:
Vermarktet UA als Zusatz, als Metaebene für gewöhnliche Kampagnen. Oder gebt den Leuten etwas normales, dennoch Spannendes zu tun, in das der Mindfuck dann eindringen kann. Als Selbstzweck ist es weder aufregend noch besonders überzeugend, eher eine Variation zum WoD-Gemurkse. Und mit großem Weltschmerz und einer Desert Eagle sich mit anderen Weltschmerzlern zu kloppen, soll ja wohl UA’s Ziel gerade nicht sein, oder?
Und das blöde in-group Gelaber wie bei den flavour-of-the-month-fuzzies sollte nicht alles sein, was dieses feine Konzept hervorbringt.

Also Tim & Jasper, heed my words!

6 Gedanken zu „And that was his robe his purple robe

  1. gegenvorschlag: einfach die definition von rollenspiel überarbeiten.manche probleme entstehen erst durch definitorischen starrsinn.

  2. Nee, ist klar. So verkauft man natürlich, indem man behauptet, es sei ein neues Spiel, und man definiert Rollenspiel um, damit das dann paßt. Kann mir beim Besten willen nicht vosrstellen, daß Tim das will…Aber Du scheinst was im Hirne zu haben, also laß es raus, vielleicht haben wir alle was von Deiner Idee.Settembrini

  3. im hirn? ein paar komische wörter und man hat gleich was im hirn.vorschlag: rollenspiel nicht über spieler definieren, sondern über mediale potenz.das ergibt einen offenen definitionsraum.

  4. jetzt habe ich es:“rollenspiel“ ist nicht das buch und nicht die spielerschaft. rollenspiel ist die struktur zu spielen. „ein rollenspiel“ ist nicht das buch, nicht die regeln und nicht die spieler sondern eine art/variante rollenspiel zu spielen. ob man das mit einem oder drei büchern oder gar keinem buch macht, ist vollkommen irrelavant.Die Frage, die im Marketing gestellt werden muss ist: Was ist ein Rollenspiel-Buch?traditioneller Weise enthalten Rollenspielbücher:- eine geschlossene Welt- ein Regelsystem- selten: einen konzeptionellen Ansatz zur SpielartUA enthält:- keine geschlossene Welt (aber Stücke einer Welt)- ein Regelsystem- und einen dominanten konzeptionellen Ansatz zur Spielart, der durch die Kombination mit Welt-Teilen nicht allzu abstrakt sondern exemplarisch funktionieren.das ist an sich was du meinst. aber du sprichst von rollenspiel wenn du eigentlich meinst „ein rollenspiel-konzept“ oder „ein rollenspielbuch“ oder „ein rollenspielprodukt“das liegt daran, dass der markt genormt ist. dagegen sollte man sich wehren.

  5. Mag alles sein, aber das müßte man dem Markt dann kommunizieren! Und nicht so tun, als sei UA ein RSp-Buch wie tausend andere.

  6. Hallo Andreas,danke für deinen ausführlichen Beitrag und die scharmanten Worte zu meinem Interview :). Ich habe deine Überlegungen und auch die Forumsdiskussionen mit Interesse gelesen. Leider kann ich dort als Gast wohl nicht posten und da ich deinen Internetauftritt sowie das anhängende Forum nicht gerne mag, möchte ich mich auch nicht registrieren. Deshalb nur kurz: Mir kommt es so vor, als hättest du UA nicht gespielt und auch nur kurz angeschaut, denn das, was du als die wichtigsten Elemente von UA identifizierst, ist doch stark verkürzt. Vielleicht überspitzt du auch einfach zum Zwecke der Diskussion, was nicht unklug ist, weil die Frage, was denn nun UA sein soll und will wirklich interessant ist – und gar nicht so leicht zu beantworten. Diese Schwierigkeit (um nicht von einem Fehler zu sprechen) sehe ich ganz klar und bemühe mich gerade, dazu im UA-Forum ein paar Überlegungen zu sammeln. Wenn es dich und andere hier interessiert, schaut doch mal rein:http://www.okkulter-untergrund.de/forum/index.php?topic=632.0Liebe Grüße,Jasper

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