The Settembrini Core Expedition

Geiler Titel, könnte ich ganze Kampagnenboxen zu schreiben. Durch das -i am Ende klingt es ja wie römisch/Doubleyou-Millersche Stammes/Völkernamen.

Es soll aber der Bogen zu den Problemen der UA-Spielerschaft geschlagen werden, wie es durchaus zweckmäßig und erhellender ist, kommen wir ganz und gar zum Thema Core Story. Diese ist nämlich ein Konzeptfetzen eines schlauen und gerissenen, dennoch aber nicht überragenden Geistes: Ryan Dancey. Mike Mearls hat die Sache auch mal angesprochen, aber nicht zu Ende gedacht. Denn man bleibt oft stecken, in der Beschreibung dessen, was die Charaktere tun. Schonmal gut, daß man sich überhaupt dazu Gedanken macht, aber nicht genug.
Denn die landläufige Beschreibung der Core-Story von Spielen, nehmen wir mal D&D, das war ja auch Danceys beschreibung, trifft weder den Kern des Systems, noch ist es in irgendeiner Weise der wichtige, oder gar grundlegende Teil der enstehenden Geschichte.
Und im Dungeon Monster verhauhen, Schätze bekommen, Gefahren überwinden, deswegen mächtiger werden: ist nicht, was die Spieler tun. Das machen die Charaktere!
Und was die Spieler am Tisch tun, das wird durch das System geregelt.
Ein kurzer gedanklicher Exkurs zu all den Fantasy-Spielen, die der Dancey-Core-Story folgen, sei vom Leser selbst durchgeführt. Nochmal: Nur weil die Charaktere das gleiche tun, machen die Spieler noch lange nicht das gleiche.
Was macht man als Spieler denn bei D&D?
Man verwaltet seine Ressourcen, setzt diese nach eigener Maßgabe aufs Spiel, um verschiedene Widerstände zu überwinden. Da D&D über dreißig Jahre Zeit hatte, und, daß muß unbedingt erwähnt werden, schon von Beginn an mit dem Fundament dessen ausgestattet war, ein komplex interagierendes System von Ressourcen- und Problemtypen zu entwickeln, ist es allen anderen darin überlegen.
magische Gegenstände, Immunitäten, Zaubersprüche, Manöver, Rundenunterteilung, Fallentypen, Giftsorten, Problemsubregeln, Klassen- und Spielerrollen etc. sind und waren in großer Zahl vorhanden und ihre Interaktionen werden durch ein schier unerschöpfliches oevre von Lerntexten geregelt bzw. geleitet. Diesem case-law gliedert sich ein (wechselnd nach Edition) solides codificiertes Regelwerk an, so daß zuverlässig Resultate erzeugt werden.
Was tut also der Spieler bei D&D, was ist die Spielertätigkeit [SpT]?

Er löst Probleme vermittels abwägenden Einsatzes seiner codificierten Ressourcen.

Das ist widerum das eigentliche Spiel, um das sich alles andere gruppiert. So ist der Machtzuwachs nicht Selbstzweck, er erweitert ständig den Blumenstrauß an Problemen und Ressourcen, erweitert die SpT. Das Spiel bleibt frisch und interessant, weil eben Probleme und Ressourcen vielfältig und komplex interagieren. Deswegen Stufenanstieg, nicht für irgendwelche Machtphantasien. Gerade die Natur des problemlösenden Spielens relativiert die Machtphantasien, die im SheERZ fröhlich einständ feiern. Die entstehende Geschichte kann dabei genauso wichtig sein, und sie wird von niemandem am Tisch auf den Danceyschen „Kern“ reducieret werden wollen, nein, nachgerade liefert die Problemlöserei eher die fantastoversische Legitimation für die Beeinflussung eben der Spielwelt. Das Dungeon ist ein Mittel zum Zweck der Kampagne, kann aber durchaus, da das Dungeon als Problemkomplex (sic) und Schauplatz der eigentlichen SpT dient, den Spielern als Projektionsfläche für sportlichen Ehrgeiz dienen, Stichwort: Beat the Dungeon! Andere Dinge werden von D&D nicht geregelt, aber dennoch gespielt. Charakterspiel, Stimmung, komplexe Metahandlung, Plausibilitätenabwägung all das ist vorhanden, wird durch die Weltensupplements unterfüttert, wie bei jedem anderen Spiel auch.

Da also die vom System unterstützte Spielertätigkeit einen bonus darstellt, der zu den üblichen Anwendungen der Methode Rollenspiel innerhalb des ARS-Frameworks (Charakterspiel, Stimmung, komplexe Metahandlung, Plausibilitätenabwägung) tritt, muß man sich bei einem Sytem eben anschauen, wie dieser bonus aussieht.

Wie ist es also bei UA? Regeln für menschliche Personnagen der Gegenwart, Kampfregeln für und mit Personnagen der Gegenwart. Das ganze gewürzt mit personnagebezogenen Superkräften. Was haben wir also: richtig, keine codificierten Probleme, keine Subproblemregeln, nichts.
So wie man bei Millenium’s End, als SpT neben der Plausibilitätenabwägung auf Basis der Kenntnis der modernen Spec-Ops Technik und Kriminalistik (vom System nur peripher vermittelt) eben vor allem den Feuerkampf gegen andere den Personnagen regeltechnisch entsprechenden Antagonisten hat.
Viele Systeme sehen so aus, daß man nur Charaktere und Kampfregeln hat. Damit kann man eben auch nur eine begrenzte Anzahl von SpT abhandeln. Die Probleme, die mit der MoR abgehandelt werden können, sind ja eine direkte Funktion der Leistungskraft der beteiligten Spieler und Meister, also bei jedem System gleich. Vulgo bleibt die SpT bei UA im Rahmen aller zeitgenössischer Hintergründe, und vor allem auf die MoR beschränkt. Ein Blick in die ganzen ungelenken Vorschläge bestätigt daß: Gangstergeschichten, Agentengeschichten, Krimis und bizzares Kino.
Das kann man sowieso alles mit jedem System machen, daß über zeitgenössische Personnagenerschaffung und eine Schußwaffenliste verfügt. Bleibt also dem Produkt der Metaplot, der ja, wie schon festgestellt „nur“ eine Kampagnenidee ist, und die Ästhetik & Stimmungstexte als Meisterinspiration. Gerade die scheinen es einigen angetan zu haben, legitim, daß man dann letzlich auf die Regeln pfeift, und gleich das ganze ins Thematische Rollenspiel abdriften läßt.

Nun ist UA deshalb nicht unspielbar, im Gegenteil: Ich habe mir mit viel Spaß zusammen mit meiner Gruppe eine eigene Core-Story gebastelt. Vieles fällt dann einfach weg, zum Beipsiel spiele ich nie mit den Avataren und der ganze Kram mit der Clergy interessiert mich Null und kommt für die Spieler höchstens als Antagonisten vor. Bei uns geht es in Oneshots oder Serien von Oneshots um Adepten und die Frage nach der Duchsetzung der eigenen Weltsicht und zu welchem Preis das erfolgt. Im Grunde ist das ein Drift in die forgy Richtung, also charaktergetriebenes, thematisches Spiel ohne vorgegebenen Plot, bei dem ich als SL den Spielern Bangs entgegenwerfe. Wir machen vor dem Spiel eine R-Map und die dort angelegten Konflikte treiben das Spiel. Grossartige Identifikation mit dem Charakter gibt es nicht, blumige Bescheibungen spar ich mir, wir beschränken uns auf dramatisch wichtige Szenen, typische Spielsitzung dauert 2 -3 Stunden. Action ja bitte, offenes Würfeln, Schadenspunkte werden nicht in Beschreibungen verpackt, Charaktere können und werden sterben.Aus dem UA-Fluff pick ich mir was Nettes raus und ignorier den Rest, das Setting erforschen in dem Sinne, dass die Spieler „der Wahrheit“ auf die Spur kommen, ist völlig nebensächlich. Charaktere sind Street Level bis fortgeschrittene Adepten, das Rennen um die Clergy interessiert uns wie gesagt gar nicht.

Und ums TRS, da wollen wir uns hier nicht mehr kümmern.

Letzlich denke ich, daß UA gerade in Deutschland als Cthulhu: 2000 rezipiert wurde, und das eben nach der postmodernen Version deutscher Cthulhu-Grusel- und Verschwörungsromantik gespielt wird. Ob man aus dem Spiel mehr machen kann, das glaube ich hingegen nicht. Ohne zusätzliche SpT, bleibt es eben ein „stylishes“ Personnagenkampfspiel, daß sich der MoR genauso bedient, wie es alle anderen Systeme auch können. Also tapfer an die Emo-Kid Spielleiter vermarkten, als Inspirationsquelle und Kampagnenidee. Ein eigentliches Spiel steckt dahinter nämlich nicht.

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