Das SchERZ-Manifest

Rollenspiel und Realismus

Die Forderung nach äußerstem Realisnus
im Rollenspiel wird laut erhoben,
und sie hat ihre eigenen Spiele produziert,
Spiele mit hohen Ansprüchen und
leider manchmal kleingeistigen Anhängern,
die ihrem Superrealismussystem
vor allem aus Zentimeterfanatismus die
Treue halten. Die Gegenseite bemüht
sich durchaus auch um eine gewisse
Plausibilität der Simulation, nimmt aber
als Vorbilder eher literarische Realitäten
als die unserer Historie.
Man kann sich in der Tat fragen, warum
sich Leute überhaupt für Fantasy-Rollenspiele
interessieren, wenn sie sich
dann allen Ernstes überlegen, wie man
die Reichweite eines Drachen-Feueratemstoßes
möglichst realistisch berechnen
kann.
Da die Fantasy von Hause aus unrealistisch
ist, wenn ich so sagen darf, erübrigt
sich eigentlich jede Diskussion über
Rollenspiel-Realismus. Trotzdem wird
sie eifrig und teilweise fanatisch vorangetrieben.
Komischerweise sind die Rollenspielrealisten
auf ihr ultimatives Argument noch
nicht gekommen. Da es ihrer Meinung
nach so wichtig ist, sich an historische
Vorbilder anzulehnen und beim Klettern
und Gewichtestemmen absolut
kleinlich zu sein, sollten sie doch Nägel
mit Köpfen machen und den Verzicht
auf Magie und Fabelwesen fordern, ja
überhaupt jede Fantasy durch rein historische
Abenteuer ersetzen. Oder sind
Zaubersprüche vielleicht realistisch?
Der Autor will gar nicht verhehlen, daß
er es mit den Phantasten hält. Die historischen
Vorbilder sind für ihn ein Element
der Anregung unter vielen, dafür
die literarischen um so wichtiger. Mit anderen
Worten, er hält Tolkiens »Herr
der Ringe« für anregender als Veit Valentins
»Weltgeschichte in drei Bänden.«
Natürlich kann man die Dinge auch anders
sehen. Es soll ja keine gleichgeschaltete
Rollenspiel-Ideologie geben,
sondern vielmehr jeder auf seine Kosten
kommen. Eines aber fällt mir auf: Hohe
Ansprüche sind manchmal der erste Ansatz
zur Intoleranz. So habe ich über Jahre
hinweg viel Kritik am Schwarzen Auge
gehört, seltsamerweise aber nie ein
greifbares Argument. Die knappen Regeln
des Schwarzen Auges, die betonte
Gleichgültigkeit gegenüber Regelfuchserei
und der humorige Sprachstil werden
offenbar von einigen Rollenspielern
als permanente Provokation empfunden.
Wieder andere nehmen es dem Schwarzen
Auge übel, daß seine Abenteuer oft
in Form einer Geschichte gestaltet sind –
einer Geschichte, o Graus, der die armen
Spieler und ihre Figuren ganz ohne
demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten
folgen müssen. Da wird dann sogar
von den Herrschaften Realismus-Simulationisten
wieder der gute alte Dungeon
aus der Mottenkiste geholt, abgestaubt
und als neue Dimension des Rollenspiels
angeboten, nach dem Motto: hier können
sich die Spieler frei im Szenario bewegen.
Nun, wie aus meiner Vorliebe für literarische
Vorbilder und ein denselben verpflichtetes
Rollenspiel herauszulesen ist,
habe ich nichts gegen Geschichten. Im
Gegenteil, ich erwarte vom Rollenspiel
gerade, daß es mir die Möglichkeit bietet,
eine Fantasy-Geschichte nicht nur zu
lesen, sondern selbst als handelnde Figur
daran teilzunehmen, natürlich in gewissem
Umfang auch auf den Gang der Ereignisse
einzuwirken, wo sich die Möglichkeit
bietet.
Für mich ist der Spielleiter vor allem Geschichtenerzähler,
nicht nur der Hausmeister
eines Dungeons oder der Parkwächter
eines anderen »freien« Szenarios.
Sollen sich dort die Simulationisten
langweilen!

Ulrich Kiesow, 1987
Aventurischer Bote 12

Zum O.R.K.

12 Gedanken zu „Das SchERZ-Manifest

  1. Trotz des Alters der Artiekls hat Kiesow, bezüglich der Dungeons, recht. Die Freiheit der Spieler im Dungeon ist nur eine Illusion, weil er begrenzt ist. Im Gegensatz zur ganzen Rollenspielwelt. Der Rest des Textes (sprich: Theater mit festem Plot, den die Spieler noch nicht kennen und nicht bestimmen können) mag zwar ein Spielstil sein, der auch Freude bereitet, aber eben nicht das was, (z.B.) ich mir vom Rollenspiel wünsche und erwarte.Ich spiele kein „ARS“ (d.h. weder will ich meinen Spielleiter als Genger wissen, noch will ich ihn als bloßen „Herausforderungsproduzenten“ haben – er soll die „Realtiy.sys“ der Spielwelt sein, den Rest machen die Charaktere) aber Railroading ist kein Weg das Potential des Rollenspiels (der SL liefert zwar ein Szenario, die wahren Geschichten enstehen aber im Spiel) auszukosten. Railroading beschneidet das Potential. Es kann aber in gewissen Abläufen sinnvoll sein, Railroading zu einem gewissen Grad zu benutzen, sofern die Gruppe das wünscht. Man darf nämlich nicht vergessen, dass es auch Spieler gibt, die sich gerne „berieseln“ lassen und manchal mit zu viel Freiheit überfrodert und unzufrieden (!) sind. Traurig aber war. Eine Gruppe muss den Spielstilmix wählen, der ihr liegt.

  2. Ist Dir eigentlich bewusst, dass Du Gesprächsstoff bist? Natürlich, jeder, der Rolloconprogramme lesen kann, erkennt die Workshops einiger Rolloverlagsgrößen, die sozusagen nur die Widerlegung Deiner Thesen zum Inhalt haben. Einige äußern sich auch mehr oder minder öffentlich, dabei mehr oder minder beleidigend. Aber auch in kleineren Kreisen redet man über Dich. Nun gut, nur Schlechtes, aber das kannst Du Dir sicherlich denken. Dass Du aber genug Bewegungsmoment entwickelt hast, als dass DSA-Redakteure, Ex-FanPro-Forenleute und Romanautoren sich, wenn auch abfällig, über Dich zu unterhalten, während einige von ihnen gleichzeitig diese Workshops geben, ist doch spannend, oder?Thomas Römer liest diesen Blog übrigens regelmäßig. Nur so zur Info. Ob es jetzt zu Zwecken der Heiterkeit ist, weil er Dich für lächerlich hält, oder eine Art Feindflug, weiß wohl nur er selbst sicher.Mir drängt sich jedenfalls der Eindruck auf, dass die deutsche Rolloszene so oder so in Richtung kleiner, knuddliger, bellender Vierbeiner sinkt. Irgendwann wird sie endgültig dort angekommen sein.

  3. Betreffend des Beitrags von „Anonym II“:Das ist zwar schön gesagt, wäre aber erst einmal zu beweisen, bevor man das ernst nehmen kann.

  4. Ich muss gar nichts beweisen. Ich kann es auch gar nicht, was jedem bewusst sein sollte, deswegen ist die Frage nach einem Beweis uninteressant. Ist eine reine Glaubenssache. Diejenigen, die diesen Blog mitlesen, können es entweder zugeben oder nicht. Aber ich weiß, was ich weiß, weil ich es weiß. Settimbrini wird sich ohnehin im Glanz der eigenen Wichtigkeit sonnen. Das tut er schon immer. Dass er in manchen Kreisen bekannt ist, dürften schon Zitate über ihn belegen, die man nun recht einfach im Internet finden kann. Dass die unter anderem hier verbreiteten Thesen Gehör finden, im Guten wie im Schlechten, kann man an den Titeln der Workshops erkennen. Beweise sind das natürlich nicht, tatsächlich nicht einmal Indizien.Also, glaubt es, oder glaubt es nicht. Wer wirklich anonyme Kommentare in einem obskuren Nischenblog ernst nehmen will, darf dies gerne tun. Alle anderen müssen nicht. Das ist doch gerade das Schöne am Meinungspluralismus unserer Zeit.

  5. Woher? Natürlich daher, wo alle guten Informationen entstehen: ein Vögelchen hat es mir gezwitschert. Allerdings gab es nur diese eine Station, weshalb ein allzu viel an Stille Post ausgeschlossen werden kann. Zudem ist das Vögelchen für mich 100% vertrauenswürdig, weshalb ich keinen Grund habe, am schönen und wahren Ton des Gesangs zu zweifeln.

  6. Mag ja sein, dass Settembrini diversen Leuten bekannt ist. (Vorallem aus Foren, in denen er sich ereifert hat.) Aber dass ihm „DSA Persönlichkeiten“ angeblich regelmäßig an den Lippen hängen, klingt für mich eher nach Wunschdenken. Daher glaube ich nicht, dass es diese Leute wirklich interessiert, ob und warum sich jemand in seinem kleinen Blog über ihr Spiel „auskotzt“.

  7. Der Glaube ist die feste Trutzburg eines jeden Mannes. Allerdings sollte man auch den Glauben beiseite legen können, um Aussagen richtig zu lesen.Niemand hat behauptet, dass jemand an den Lippen oder einem sonstigen Körperteil einer anderen Person hängt. Zu welchem Zweck dieses Blog gelesen wird, kann man nun wirklich nicht sagen, weder bei einzelnen, noch bei der Masse. Ist es aus einer Art morbider Faszination? Seelenverwandschaft? Interesse? Dem Wunsch, unterhalten zu werden? Gallenkoliken?Da ich Settimbrinis Blog aus meinen ganz eigenen Gründen lese, ist das Wort „Wunschdenken“ fehl am Platze. Tatsächlich könnte es mir egaler nicht sein, wer es noch liest. Ich fand es lediglich erheiternd, den Hausherrn auf seine Gäste hinzuweisen.

  8. Hm, und was sollte der Hofrat jetzt daraus ableiten? Dass er sich in Zukunft mehr in Acht nehmen soll? Oder die Leute direkt ansprechen kann?Wenn die DSA-Macher hier mitlesen, ist das doch prima. Ob sie was aus den Diskussionen hier mitnehmen oder nicht, ist zweitrangig. Ebenso zweitrangig ist es, ob sie (insgeheim) Settembrini recht geben oder sich eher in dem bestätigt fühlen, was sie tun. Hauptsache ist doch: mehr Diskurs! Mehr Streit! Mehr Bewußtsein fürs Hobby!

  9. Ja, richtig. Wer SchERZ-Suppkements schreibt, der soll wenigstens davon überzeugt sein, daß es die beste, aber nicht einzige Wahl ist.Und er sollte dann das SchERZ zur Perfektion treiben, evtl zum XERZ weiterentwickeln.

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