[Rezension] In Harm’s Way: Aces in Spades

Flying Mice Games, hierzulande vermutlich im besten Falle durch Forward…to Adventure! [FtA!] bekannt, gibt u.a. aber mit einem gewissen Schwerpunkt auf einem einigermaßen unspektakulären Haussystem aufbauend Rollenspiele zu historischen Themen heraus.

Diese Reihe nennt sich „In Harm’s Way“, und neben dem Sujet Fliegerasse des Großen Krieges, welches hier besprochen wird, gibt es noch ein Wooden Ships, & Iron Men Rollenspiel, sowie seit neuestem Aces and Angels, welches die Fliegerei des Zweiten Weltkrieges behandelt.

Aber auch die anderen Systeme aus der Feder von Clash Bowley zeichnen sich durch einen starken historischen, bzw. historiesierenden Bezug und Inspiration aus, wie z.B. Cold Space, welches den Kalten Krieg kongenial in ein fiktives Weltraumzeitalter überführt.

Ausgehend von seinen eigenen Hausregeln und Hauskampagnen hat Clash neben seinen Herausgebertätigkeiten das StarCluster Rollenspiel geschrieben, dessen Regelkern eben auch für die In Harm’s Way-Reihe benutzt wird.

Dieses Haussystem sei als eine Art Mischung aus BRP (Cthulhu) und Traveller/GDW Einsprengseln beschrieben. Die Details sollen hier nicht so interessieren, es ist eben ein Fertigkeitssystem. Dies hat viele Vorteile, da man somit alle StarCluster-Derivate einfach und leicht in das fertigkeitsbasierte System (Traveller/RuneQuest-ARS-Säule) seiner eigenen Wahl überführen kann. So kann man problemlos nach Cthulhu, Mechwarrior II oder ähnliche Systeme portieren, ebenso wären die Punktekaufsysteme aus der GURPS-Ecke eien Option, oder man nimmt eben das vorgesehene System, welches in jedem der Clash Bowley Spiele vollständig enthalten ist.

Wichtig und förderlich ist eben die auf den Kampagnenhintergrund zugeschnittene Fertigkeitsauswahl, sowie Fertigkeitspakete für entsprechende Berufe und Gruppen. Besonders interessant sie die Regelmodule für das jeweilige Spezialthema.

Hier bietet Aces in Spades schon bei der Charaktererschaffung wichtige Elemente: Die Nationalität der Personnage beeinflußt die soziale Klasse, welche widerum die Fertigkeitenauswahl und die (abstrahierte) Finanzkraft beeinflußt.

Diese sehr gute Idee, die z.B. jeder Cthulhu-SL direkt verwenden kann, leidet an einer etwas flachen Ausführung. Wer die Tabellen genau studiert, der merkt schnell, daß sie sich kaum unterscheiden. Diese Scheinvielfalt setzt sich auch in den nach Nationalitäten geordneten Hintergrundfertigkeiten fort. Der Ansatz ist also überaus zu loben, sollte aber viel stärker nach den historischen Einkommensverteilungen und nationalen Unterschieden aufgebaut sein. Hier ist zumindest im vorliegenden Band Pyrit in der Erzader, die zunächst so schön funkelte.

Fertige Charaktere und Schablonen gibt es in ausreichender Zahl, um einerseits schnell loszuspielen, andererseits den Rahmen für das System abzustecken, und zu guter letzt auch wohlfeil im Spiel eingesetzt zu werden.

Die StarCluster-typischen Avocations, also Hobbies fehlen auch nicht, sie unterstützen die zeitgenössische Ausgestaltung, es sind aber nur fünf vorgeschlagen. Wer sich mit der Epoche auskennt, kann leicht eigene ergänzen, hier ist wieder die Ausführung gut gedacht-flach gemacht.

Hier sei bei diesem Kritikpunkte nochmal unterstrichen, daß beileibe nichts fehlt, alles was man möchte kann modelliert werden, sei es der Junker aus Ostpreußen oder der New Yorker Dandy, alleine die historische Authenzität und epochennahe Ausgestaltung wird eben durch ein recht grobes Sieb geschüttet. Die Ideen alleine sollten aber als löblich hervorgehoben werden, gerade auch weil sie eher durch die Beispiele kommuniziert werden, anstatt zum Wikipedia-Exzerpt zu werden, wie es das Deutsche Cthulhu geworden ist.

Abgerundet wird das Charakterkapitel durch einige Hilfsmittel um Gegner, deren Aufträge und Werte über Zufallstabellen zu ermitteln. Sehr nützlich und durch das „grobe Sieb“ eben gut für andere Spiele transponierbar.

Besonders spannend sind natürlich die Fliegeras-Regeln. Hier liegt ganz klar der Schwerpunkt, und hier strahlt Aces in Spades in allerbesten Flugtarnmustern.

Zunächst sein angemerkt, daß die militärhistorischen RSPs von Clash Bowley nicht das andauernde Spielen jedes Kriegstages annehmen, sondern eher am Spielabend die größten und wichtigsten Ereignisse eines Kriegsabschnittes thematisieren. In den optionalen Regeln werden verschiednene andere Kampagnen und Stilarten ventiliert, so kann man evtl. eine ganze Gruppe von Charakteren spielen, um verschiedene Abenteuer zu ermöglichen. Wie die Charakterregeln eher grob sind, so sind die Vorgaben zum Leitungsspiel anpassbar.

Grundsätzlich wird modelliert, wie junge Fliegeroffiziere in ihrer Einheit und den Krieg durchleben, und durch ihr Verhalten Notice also Aufmerksamkeit ihrer Vorgesetzten erringen. Die Regeln zu diesem Punktesammelsystem sind detailliert und eindeutig, und durch ihre Machweise in gereadezu phantastischer Art und Weise auf andere Spielsysteme übertragbar.

Ebenso modelliert wird der Gegensatz zwischen Ritterlichkeit und Pragmatismus. Je nach Handlungsweise geht die Personnage eher in die eine oder andere Richtung, was je nach Umfeld dann verschieden aufgenommen wird.

Der große Clou sind natürlich die Luftkampfregeln. Von einer ziemlich präzisen Modellierung der Leistungsdaten der Maschinen ausgehend, ist ein Manöver & Energiesystem geschaffen worden, daß mit den mitgelieferten Spielhilfen sich enorm gut spielt. Aus Motorleistung und Flughöhe ergibt sich die zur Verfügung stehende Energie, die dann für Manöver usw. eingesetzt, oder eben in Flughöhe, also potentielle Energie umgesetzt wird. Anfangs wählen noch beide Kontrahenten gleichzeitig ihre Manöver, der Pilotenwurf bestimmt, je nachdem ob einer beide oder keiner den Wurf schafft, ob einer einen taktischen Vorteil erhält.
Wer diesen innehat, der kann sein Manöver nach dem Gegner wählen!

Abgerundet werden die Kampfregeln durch Flugabwehrkanonen, Panzer und andere zeitgenössische Fahrzeuge.

Als Fazit kann festgehalten werden, daß hier ein komplettes Dritttrollenspiel vorliegt, daß so wie es gedruckt ist, eine Spielrunde für ca. 6 Sitzungen liefert. Bei dem engen Thema erstmal ausreichend. Durch die Art der Regeln ist es aber insbesondere als Zusatz zu anderen Rollenspielen zu empfehlen: ob Cthulhu, Zeitreise, Dream Park oder Rückständiger Planet im Dritten Imperium, wer seine Kampagne durch die Zeit der Doppeldecker oder auch den 1. Weltkrieg am Boden führen möchte, dem sei Aces in Spades wärmstens empfohlen.

Für ein Erstsystem ist es in der Ausführung dann doch etwas zu flach, und müßte durch eigene Recherche erweitert werden. Dennoch ist kaum eine Seite dieses Produkts überflüssig. Ob als Basis für die eigene Vertiefung, Drittrollenspiel für einen erweiterten One-Shot oder Teilelieferant für die eigene Hauptkampagne ist es auf jeden Fall sein Geld wert.

Anhang:
Für die, die es genau wissen wollen.

Im Produktumfang enthalten sind zwei Ausschneidemodelle, eine Albatros DV und eine Sopwith Camel.
Weiterhin die vorausgefüllten Energie/Manöverbögen für:

Fokker Eindecker (E I)
Airco DH2
RAF Fe.2b
RAF FE.2d
Nieuport 17
Albatros D II
SPAD VII
Pfalz D III
Fokker Dr I
Albatros D V
SPAD XIII
RAF SE.5
Sopwith Camel
Fokker D VII

Dazu noch die Spielwerte für die o.g. sowie:

AEG G IV
Bristol Scout
(Etrich-) Rumpler Taube
Nieuport 28
Handley Page Type O
RAF RE.8
Gotha G
Sopwith 11/2 Strutter
AEG C IV
Albatros C III
Albatros D III
Zeppelin-Staaken R.VI
Airco DH4

Und einiges an Panzern und gepanzerten Wagen. Bei den Panzerwerten handelt es sich teilwiese eher um eine Interpretation wie im Computerspiel „HL 1914-18“: Der St. Chamond war in der Realität ein totaler Reinfall, in beiden Spielen sind es aber recht anständige Gefährte. Die Leistungsdaten entsprechen hier nicht dem Gefechtsfeldeinsatz.

Zum O.R.K.