Ernest Gary Gygax 27.07.1938 – 04.03.2008

Gary ist tot, und mit ihm starb ein Teil einer Kultur, den nur noch wenige am Leben erhalten. Aber gerade diese Kultur war es, die ihm neben seinen persönlichen Eigenschaften das Fundament gab, für das, was er schaffen sollte, und was wie wir heute wissen, die Welt verändert hat.

Natürlich war er einer der Väter des Rollenspiels (zusammen mit Weseley und Arneson) und der Erfinder von D&D. Danach erschuf er nahezu vollkommen im Alleingang Greyhawk und die drei Grundbücher für AD&D, erste Edition. Das muß man sich ganz klar vor Augen führen, welch gigantische kreative Leistung das war.
Denn obwohl die Ingredienzen für das Rollenspielhobby auch schon gärten, war es Gary Gygax und kein anderer, der ein Kosmos aus Spielbausteinen schuf, und Regeln wie diese Spielbausteine interagieren können. Die unglaubliche Phantasie und Kreativität, die hinter der Erzeugung dieser Gygaxschen Spielelemente stand, kann heute kaum mehr ermessen werden, da sie Eingang in die Populärkultur erhalten haben. Die Zaubersprüche, Monster und Magischen Gegenstände, die Charakterklassen und Greyhawk, sowie die unsterblich gewordenen Spielergruppen um Mordenkainen, Tenser, Rary, Bigby, Svenny und wie sie alle heißen: sie sind sozusagen aus dem nichts durch Garys Geist erschaffen worden.

Kein Fantasyroman, (fast) kein Computerspiel, kein Fantasy-Film kommt ohne Anleihen bei D&D aus. Nicht vergessen: das meiste GAB es garnicht. Aber auf Mythologie, abgefahrenen Namen, merkwürdigen Plastikmonstern vom Grabbeltisch fußend, schuf er z. B. Monster, die die Zeit überdauerten. Sein literarischer Geschmack hob andere Elemente hervor, als sie vorher und nachher von anderer Seite immer wieder hervorgehoben wurden: Vance, Leiber, Howard, Anderson waren die Fixsterne, die ihm die Navigation erleichterten.

Doch waren dies ästhetische und keine direkten Vorbilder. Immer und überall blieb er fest seiner angestammten Kultur treu, die heute nur noch wenige verstehen:
Kriegsspiele.

Genaugenommen die Uni-nahe Wargaming Szene der USA der 60er und 70er. Gary war vor allem Miniaturenspieler, doch obacht: wer sich darunter etwas wie Warhammer 40k vorstellt, der hat eher das Gegenteil vor Augen!

Wargames waren in dieser Zeit ein Nischenhobby, welches vor allem in Clubs und in Solitaire- Aktivitäten gepflegt wurde. Es waren Spiele für die Gebildeten, diejenigen, die schlau und belesen und mit Freizeit gesegnet waren. Es waren offene Spiele, gerade im Miniaturenbereich gehörten ad-hoc Regelkreationen ebenso dazu wie Verständigung über das, was überhaupt simuliert werden soll und auch großes Improvisationstalent die Miniaturen betreffend.
Meistens schufen die Clubs für das, was sie gerade bespielen wollten, die Regeln selbst. man tauschte auch untereinander, und populärere Szenarien und Regelwerke wurden über Mundpropaganda und die ersten Kopierer verbreitet, ganz so wie auch Chainmail und dann D&D anfangs distributiert wurden.

Über die langen Schaffenszeit hinweg hat natürlich auch Gary eine starke rollenspielerische Entwicklung durchgemacht. Aber dem Grundgeist der Wargaming Clubs ist er immer treu geblieben. Mit seinem Tod stirbt ein Teil dieser Kultur des gebildeten do-it-yourself, des kreativen Kit-bashings, des herrenmäßigen Spielstils, des eloquent bis barocken aber immer unterhaltsamen Schreibens, der Nähe zu Primärquellen, des Sportsgeistes und der Herausforderung um ihrer selbst willen

Wer zumindest den Teil dieser Kultur, der durch Gary und seine Freunde in unser Hobby transplantiert wurde pflegen möchte, der kann sich hier ersten Rat holen.
Wer auf den BurgCon in Berlin kommt, der wird dort eine AD&D 1e Runde „Against the Giants“ spielen können.

Bis zu seinen letzten Tagen war er auf ENWorld und Dragonsfoot aktiv, und es ist schön zu wissen, daß er wußte, wieviel seine Schöpfung anderen gegeben hat, gibt und geben wird. Er konnte in Frieden gehen. Es ist nun an uns, ihn nicht zu vergessen, noch wichtiger, dasjenige, wofür er stand. Dies wird in den kommenden Jahren schwerer. Noch Leben andere Exponenten dieser Kultur, wie Siembieda, Wujick, Stafford und Miller.
Ericks Anwesenheit ist uns nur noch für kurze Zeit vergönnt, wünschen wir den anderen ein langes Leben. Tun wir das Unsere ihre Werke und Botschaften lebendig und verständlich zu halten.

I would like the world to remember me as the guy who really enjoyed playing games and sharing his knowledge and his fun pastimes with everybody else.

– E. Gary Gygax

11 Gedanken zu „Ernest Gary Gygax 27.07.1938 – 04.03.2008

  1. Hallo Settembrini,danke für dieses Statement zu Garys Schaffen und Wollen sowie zum integralen Kern seines spielerischen Geistes. Denn ebenso, wie Du ihn beschreibst, habe ich ihn auch empfunden.Zu den bekannten Namen aus dem D&D-Kosmos oder aus der World of Greyhawk sei noch erwähnt: obzwar viele direkt Garys Fantasie entsprangen, waren andere (etwa Melf, dessen Säurepfeil wir bis heute kennen) Charaktere aus seinen Spielrunden, die noch prägend auf die Gesamtschöpfung einwirken konnten. (Im Falle von Melf war dies einer von Garys Söhnen, soweit ich weiß).Nicht unerwähnt sollten auch seine Romane bleiben, die ich persönlich für gute Fantasy-Fiktion im besten klassischen Sinne halte – allen voran seine unter TSR und später New Infinities publizierten „Gord the Rogue“ Romane.Mir war es vergönnt, ihn zweimal persönlich zu treffen. Das erstemal unverhofft auf dem GenCon, das andere mal vorbereitet mit einer Tasche voll Bücher zum Signieren. *smirk*Mich haben sein Wirken und Spielstil in jedemfall entscheidend geprägt. Danke, Gary.“Not dead, but sleepeth.“

  2. „Kein Fantasyroman, (fast) kein Computerspiel, kein Fantasy-Film kommt ohne Anleihen bei D&D aus.“Eher umgekehrt. Diverse Fantasy-Romane gab es bereits vor Gygax. Bestes Beispiel: Herr der Ringe

  3. Hah, ludovico. Der Magier z. B. de Fat Fantasy, der ist aus D&D. Gandalf/Merlin und co, die haben alle nicht wirkich gezaubert.Nein, Fantasy ist ohne D&D ganz anders gewesen.Herr der Ringe hat Gary übrigens nie gemocht.@anderen: Danke!@Ilja: Burg Con?

  4. Sehr schöner Nachruf. Trotz aller Entwicklung, die Rollenspiel seither durchgemacht hat, ist es schön zu sehen, dass die Pioniere geehrt werden wie es ihnen gebührt.

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