[Rezension] Märchenwälder & Zauberflüsse, Teil 2

Hier nun der zweite Teil meiner Rezension zu dieser AB-thologie. Die Redakteurin Momo (Erwachsene, die sich Momo nennen, müssen wohl LARPER sein…) Evers verspricht uns Kurzabenteuer, die phantastisch und gefühlvoll sind, die „das Märchenhafte“ (in) Aventurien aufzeigen.

Dies soll in kleinem Maßstabe geschehen, das scheinbar stehende Schlagwort der „aventurienumspannenden Katastrophe“ wird als eine Art Kontrapunkt aufgebaut, um anzuzeigen, in welche Richtung es geht. Dies war unter anderem eine Motivation für mich, mir diese Anthologie näher anzuschauen, um zu prüfen, wie DSA-Autoren mit der Aufgabe umgehen, metaplotfreie, modulare, vielseitig einsetzbare Abenteuer zu schreiben.

Evers nennt ein paar irdische Mächen-Schreiber-Namen und kündet uns von einer aventurienspezifischen Märchenkultur, die ganz toll sein soll. Leider wird darauf überhaupt nicht eingegangen, der Leser weiß nun nicht, wie der name-dropping Eklektizismus mit der nicht unterfütterten aventurischen Märchenkultur korrespondiert.

Drei weitere Elemente der Vorrede empfand ich als besonders bemerkenswert:

  • Frollein Evers rät, besonders bei Talentproben zu schummeln, wenn die Helden eigentlich im guten Glauben und mit reinem Herzen handeln. Obwohl ich natürlich gegen jedwedes Schummeln bin, so ist dies hier wohlwollend zu interpretieren. Wenn man märchenhafte Herausforderungen konstruiert, dann ist es nachvollziehbar, recht und billig, daß die Herausforderung für die Spieler durchaus eine emotional-ethische sein kannn. Nicht also der Würfel (oder die drei *augenroll*) sollen trennscharf entscheiden, sondern der gute Willen. So wie man Kleinkindern ja auch das Bemühen und nicht (nur) die Leistung lohnt. Für Märchen passend, bzw. nicht von vorneherein als falsch abzutun. Natürlich muß dies in den Herausforderungen dann aber bedacht und umgesetzt werden.
  • Evers weist entschuldigend auf den engen Raum, den die ABs nur zur Verfügung haben hin, und entschuldigt damit das Fehlen komplett vorgekauter Handlungsabläufe. Freiheit des Spiels als Mangel! Das sowas jemand ernsthaft schreibt, ist erstaunlich. Nun zur jeweiligen Platzöknomie sage ich etwas bei den jeweiligen ABs.
  • Es wird eine Vielzahl von Publikationen genannt, die man besitzen sollte/müßte um alles zu verstehen. Leider ist dies nicht ganz aus der Luft gegriffen, einige ABs beziehen sich stark auf ander Publikationen. Leider kann ich nicht beurteilen wieviel Material wiederholt wird, und so muß dieser Punkt einigermaßen unbeachtet bleiben. Allein, ich bin der Meinung ich könnte die ABs problemlos ohne leiten, was aber daran liegen mag, daß ich die Neo-aventurische Geschichtsschreibung sowieso ignoriere.

Das gesamte Layout ist dunkel, gedrängt, gleichsam eine üble Bleiwüste, deren Rand Unruhe und wenig Märchenhaftigkeit erzeugt. Der Kakao mit Marschmallows, den ich beim Lesen trank wirkte merkwürdig deplaziert und korrespondierte nicht mit der Stimmung, die angeblich erzeugt werden sollte. Auch das Cover ist zwar nett anzusehen, es fehlt aber den Farben jene Wärme, jene Romantik, die ich mir gewünscht hätte – der Vorgängerband war da passender befrontbildert.

Der Baum und das Mädchen von Michael Masberg

Die Hintergrundgeschichte ist handwerklich schlecht geschrieben, man muß sie mehrmals lesen, um sie inhaltlich zu verstehen. Die Pseudomärchen in kursiv (Stimmungstext?) sind ebenfalls nicht Stimmung erzeugend und suhlen sich in Neo-aventurischen Wortfetzen.

Das AB ist angeblich in den maraskanischen Kulturkontext eingebettet, dieser wird angerissen, auf viele ander Publikationen verwiesen, Heldentypen werden deswegen eingeschränkt und ein Glossar von begrifdfen mitgeliefert. Vollkommen verschwendeter Platz (1 S.), das AB bracuht das überhaupt nicht, bzw. dient es nur als Lokalkolorit. Da dieses Lokalkolorit aber mit Realweltverweisen und in verquerer Sachtextmanier geschrieben ist, ist es noch nichtmal stimmungsvoll im landläufigen Sinne. Dies sei beispielhaft für die Masbergsche Krankheit genannt: etwas mit einem Adjektiv zu versehen, verleit dem Text eben nicht die durch das adjektiv markierte Qualität. Das hat U. Kiesow schon 1984 im Einleitungsmärchen zum Yeti-Railroad besser gemacht.

Ebenso stimmungslos, aber dafür nützlich und einigermaßen inspirierend ist der Abschnitt (1,5 S.) zum Status des Nicht-Toten Mädchens, welchem man seine letzte Ruhe ermöglichen soll. In ein paar Spiegelstrichaufzählungen wird luzide erläutert, wie sich sowas (Reisen mit einem Nicht-Toten) entwickelt, und welche Probleme das bereitet.

Außerdem gibt es nur noch eine gute Stelle im AB, und zwar kurz vor Ende. Da wird eine märcho-phantastische Abenteuerreise durch ein Tal mit ruhelosen Seelen als Herausforderung aufbereitet. Werde ich bestimmt irgendwo mal einsetzen.

Der Rest ist eigentlich Schweigen, aber zu mies um unerwähnt zu bleiben, zumal einige Elemente der Schlechtigkeit strukturell immer wieder auftauchen, auch andernorts.

So gibt es eine unendlich laberige, sinnlose Auftragsvergabe (2,5 S.) und nicht eine sondern, zwei sinnlose, langweilige Überland-Reisen (5 S.!). Ich habe aus der Hüfte den Begriff „overland-stall“
an solche Stellen geschrieben, aber bislang fällt mir kein besserer Begriff ein. Er hat sich in mir eingebürgert. Was meine ich damit?

Als „overland-stall“ bezeichne ich Überland-Reisen, die

  • keine Alternativrouten kennen
  • abgeleistet werden müssen
  • in ihrer Länge undefiniert sind
  • keine Karte zugrunde liegt
  • Begegnungen eingestreut werden, die nach Wahl des Meisters stattfinden, also irrelevant sind
  • längere Landschaftsbeschreibungen enthalten

Das wirklich schlimme am „overland-stall“ ist, daß er absichtlich zur Verlängerung des Spielabends beiträgt, ja geradezu aufgefordert wird, das noch auszudehnen. Dies können nichtmal Hartwurst-Spieler gut finden! Denn dadurch, daß man sowieso ankommt und die Reise räumlich undefiniert ist, lohnt noch nichtmal das Ressourcenmanagement. Pferdewahl, Verpflegungszusammenstellung, Ausrüstungskauf, Talentwerte in Wildnistalenten, Schuhwahl, Kräutersammeln werden VOLLKOMMEN entwertet. Letzlich ist der „overland-stall“ ein so-tun-als-ob-man-Hartwurst-Rollenspiel-spielen-würde. Eine unglaubliche Frechheit, und bei Masberg auf 5+2 Seiten…

Auch das hat der von mir meistgehaßte Autor, Kiesow, bei den Amazonen oder im Spinnenwald schon besser, bzw. überhaupt spielbar gemacht. Wie gesagt, das Überland-Spiel ist sowieso schon verhaßt, aber dann noch nichtmal das Überland-Spiel spielen, und trotzdem 7 S. dafür opfern ist ein Kardinalverbrechen.

Wohlwollend will ich Masbergs noch größeres Scheitern als „vertane Chance“ bezeichnen. Eine der Aufgaben, um das Mädchen zu retten ist es, mit einem Tierkönig zu sprechen. Hier böte sich an, diese aventurienspezifische ROLLENSPIEL (im landläufigen, primitiven roll vs. role Sinne) Situation zu nutzen. Aber Pustekuchen: Egal, was die Spieler argumentativ leisten, sie werden AUSDRÜCKLICH wieder „gestallt“ also aufgehalten. Es ist so-tun-als-ob-man-im Rollenspiel-mit-einem-Tierkönig-redet.

Der Meister soll das Spiel dezidiert mit irrelevanten Phrasendreschereien in die Länge ziehen, und am Schluß sowieso herausgeben, was an Info da ist. Alleine dafür müßten ihn gerade DSA-Kontinuitätsfans hassen. Was könnte man mit einem so alten Wesen alles besprechen! Daß gezielte Frustration überhaupt und garnicht märchenhafte Stimmung aufkommen läßt, erklärt sich von selbst.

In abgeschwächter Form gilt dies für die Endaufgabe, wo auch sinnlos mit dem Lebensbaum geschwafelt wird. Anstatt dies eben als stimmungsvolle, rollenspielerische Herausforderung im Charakterspiel (der Baum fragt nach dem Innenleben der Helden, und will sie moralisch-ethisch prüfen!!!) umzusetzen, sagt Masberg: Egal was die Helden sagen, sie bekommen das goldenen Nüßchen. Tolle Wurst.

3 Gedanken zu „[Rezension] Märchenwälder & Zauberflüsse, Teil 2

  1. Eigentlich hab ich mir ja geschworen, mich nie wieder auf fruchtlose Diskussionen mit dir einzulassen, aber…Unterscheide mal in deiner Betrachtung, was der Meister weiß und was die Spieler wissen. (z.B. nicht, das sie in jedem Fall die Frucht bekommen sollen)Was du stalling nennst, nenne ich „dem Meister mal raum für persönliche Kreativität und Zwischenhandlungen lassen“, von mir sehr rege genutzt.Im Übrigen hat man durchaus die Möglichkeit, Abenteuer abzuändern, ohne den Plot aufzugeben. Ich weiß ja nicht wie du meisterst (wenn du es überhaupt tust), aber zeig mir ein einziges komplexes Abenteuer in einer gut ausgearbeiteten Welt, in dem der Meister unter allen Umständen und immer wortwörtlich dem Plot folgen kann.Wenn du so viel Wert auf ne Karte legst: Geographika Aventuria…da hast du alle Regeln zum Hartwurst-Management ect. drin.Das ist zwar für das Abenteuer nicht essentiell (und deswegen nicht drin), aber wenn ein Meister will, kann er auf der Basis alles ausarbeiten.Du bist in deiner Bewertung fair und objektiv wie immer…also garnicht.GrußBF (aus dem Dresden-spielt-Forum)

  2. Nun, alle Deine Punkte geben mir recht. Das solltest Du Dir klarmachen. 1) Wenn das alles woanders drinnesteht, dann brauche ich nicht 7 von 10 Seiten AB damit verschwenden2) Wenn es tolle und viele Regeln dafür gibt, dann sollte man sie einsetzen dürfen3) Freiheit ist gerade das Gegenteil des overland-stalls

  3. Glänzende Rezension. Ich kann Settembrini nur in allen Punkten recht geben. Eben, wenn es tolle Regeln für Überlandreisen gibt, genügt der Verweis, vielleicht angereichert mit etwas Landschaftsbeschreibung und ein paar Spezialtabellen. Eine Karte ist Pflicht, ihr Fehlen Faulheit des Produzenten.Erinnere mich mit Wehmut an die alte DSA-Kreaturenbox. Da gab es ein schönes Heft zum Thema Überlandreisen, mit Wetterregeln, Dörfer aus der Hosentasche erwürfeln, Begegnungstabellen. Was haben wir Spass damit gehabt!

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