Gruß aus der Realität

Wer ist Schuld am Niedergang der deutschen Rollenspielverkaufszahlen?

Anders als das ewige Lamento des fehlenden Nachwuchses, kann ich euch mit ein paar grüßen aus der Realität versorgen. Anders als viele bringe ich ständig neue Leute ins Hobby, und erlebe oft mit, wie Leute versuchen, eigene Runden aufzuziehen.

Seien die Strukturen wie sie seien, quasi wie die sog. „weltwirtschaftliche Situation“ in der Berlin-Sprak.

Wir haben also interne Gründe und externe Ursachen. Nun, Frank Heller, so wie Hinz & Kunz sprechen, in bester Berlin-Sprak nur von den externen Ursachen. Im Falle von WoW sieht das ja nach dem Einbruch (wir berichteten bereits im letzten August) erstmal so aus.

Aber, wie sind denn die deutschen Produkte überhaupt, daß man sie zu 50% mit WoW substituieren kann?
Genau.

Also, mal ein paar Fakten aus der Realität.

1) D&D 3.5 eignet sich excellent als Einsteigerspiel. Egal ob jung oder alt, egal ob Junge oder Mädel egal ob Doktortitel oder Harz IV: jeder versteht schnell und einfach das Spiel. Jedem macht es Spaß.
Die Komplexität von D&D 3.5 wird einfach akzeptiert, bzw. existiert sie garnicht. Denn es ist nur Optionsreich, aber nicht wirklich komplex. Also eher breit als tief.

JEDER dem ich das Spiel beigebracht habe, hat sich schnell nach den ersten paar Runden ein Spielerhandbuch kaufen wollen, schnell war dann auch das passende Buch für die Charakterklasse gefragt. Alle haben das ohne Rücksprache auf eigenen Wegen gemacht, ohne mich zu fragen, was ja nahegelegen hätte. Die letzten haben keines mehr bekommen.
Der Nutzen eines eigenen SPHs ist als auch für Neulinge evident, ohne Aufforderung und GERNE kaufen die das. Davon träumt UA oder Cthulhu immer noch.

Einige fingen auch eigene Runden an.
Und da ging es los, ich habe es mehrfach mitangesehen: Es gibt keine Abenteuer auf deutsch. Vor allem gibt es keine Kampagne, die man spielen kann, bevor man als Neuspielleiter eigene Sachen entwirft.
Es fehlen die Infrastrukturen um erstmal irgendwelche Counter oder Minis zu bekommen. Selbst auf B! oder Tanelorn sieht man immer wieder verzweifelt-verwirrte nach Bodenplänen und Counter/Minis suchen.

So, extrapoliert selber, welche Katastrophe die 4. Edition nun für Deutschland darstellte. Haben wir ja schon mehrfach gehabt.

Da noch eine kleine Anektdote aus der Realität: Beim bösen Laden in Berlin war ich neulich Zeuge, wie einem unbedarften Suchenden Das deutsche 4e aufgeschwatzt wurde, sogar mit der kackendreisten Behauptung, man benötige ja gar keine Minis, es sei ja ein Rollenspiel. Über €100 mußte der bezahlen! Und hatte ncoh nicht mal ein Abenteuer! Oder „Startmission“ wie der Kunde sagte. Es sei eine im DMG. Naja, der wird sich umgucken.
Bzw. es wird einfach murksig werden.

Der Kern der Sache also: Die Unfähigkeit der deutschen Produktpallette, Neulingen das erfolgreiche SPIELLEITEN zu ermöglichen. Die SLs werden abgeschreckt, verprellt UND VOR ALLEM alleine gelassen.

Und da setzt Cthulhu dem ganzen die Krone auf: Nur Railroadingbockmist. Keine Chance mehr auf gesunde Kampagnen. Wer seine Spieler und sich selbst so sozialisiert hat, daß er den Orient Express durchsteht, der ist kein Neuling mehr. Niemand will das, und die Runden verlaufen im Sande. Alles selber mitangesehen.

Es ist langwielig und Scheiße, und nur wer sowieso schon im Hobby ist, erträgt diesen Unfug. EDIT: Oder kann es ummodeln, so daß es dennoch gut wird.

Das gilt abgeschwächt für DSA.

Welcher neue Spielleiter will den das Meister-Redaxspiel mitspielen?
Wie kann er erstmal losspielen?

Nein, das gibt es nicht.

Das Problem sind nicht fehlenden Leute, sondern die fehlenden Produkte, um Neusspielleiter zu versorgen, und zwar mit dem, was sie brauchen:

Unproblematische Kampagnen, die man EINFACH spielen kann. Und vor allem, die man einfach SPIELLEITEN kann. Und die dann noch Spaß machen, so wie sie geschrieben sind. Die die mittelfristige Motivation ÜBER dem Verlangen für Alternativangebote halten.

Anders gesagt ist die gesamte deutsche Szene derart deformiert, das sie normalen Leuten gar keine Spaßquellen bietet, oder sie extrem alleine läßt, dies selber umzusetzen.

Pathfinder bitte zur Rettung!
Oh, und DSA5 wird benötigt, mit komplett neuen Texten für das Grundbuch. Und einer Einsteigerkampagne. Und damit meine ich nicht Einsteiger wie in „dumm“ oder „Andergast“. Sondern eine, die man einfach sofort losspielen kann, und die eine mittelfristige Motivation bei den Spielern auslöst, die der SL ohne großes Zutun erzeugen kann. Sowas wie die Südmeer-Kampagne. Und ohne die unglaubliche Schwafelei geringer Inhaltsdichte des Römer#-DSAs.

Zum O.R.K.

15 Gedanken zu „Gruß aus der Realität

  1. Die alte „Abenteuer Basis-Spiel“-Box von 1988 ist immer noch mein Einsteiger-Favorit. Alles drin, was man braucht um wirklich in kürzester Zeit loszulegen: Einsteigerregeln (heute würde man das wohl Quick-Start Rules nennen), erweiterte Regeln, kleines – wenn auch aus heutiger Sicht simpel-doofes – Abenteuer, Würfel, Charakterbögen. Und ein weiteres Abenteuer war für 15 Mark auch schnell gekauft. Wenn ich damals für mein erstes Abenteuer erst drei Hardcover-Bücher, ein Würfelset, ein Abenteuer und womöglich noch zufällig zusammengestellte Plastikminiaturen gebraucht hätte, hätte mir das wohl ein paar tausend Euro gespart. Dann wäre ich nämlich nie in das Hobby reingerutscht.

  2. Irgendwie hoffe ich auf ein deutsches Labyrinth Lord mit deutschen Abenteuern à la Moritz Mehlem. Hat bei mir nämlich gestern super funktioniert.

  3. hah!Du sprichst genau das aus, was ich auch schon lange predige. Ich zielte mit meinen Kommentaren auf kleinrere Systeme bei denen die Situation immer schwieriger ist. Aber ich finde halt: Ein System muss „leben“ damit es „üebrleben“ kann. Damit es lebt braucht es eben Abenteuer, die zeigen wie das System in der Anwendung ist. Nicht nur Hintergrundbände und neue Regeloptionen, sondern Abenteuer um das System anzuwenden.Ich glaube das könnte wirklich ein wichtiger Schlüssel sein, nicht nur um neue Spieler zu gewinnen sondern auch um neue Systeme am Markt zu etablieren. So kriegt man vielleicht wirklich neue Leute ins Hobby.

  4. Bei Cthulhu scheint mir aber schon, dass die Zeichen der Zeit erkannt wurde. z.B. die Abenteuer in „Expeditionen“ und dem neuen SL-Buch zeigen zumindest den Versuch, sich vom Railroaden abzuwenden.Fragt sich nur, warum Heller jetzt schon wieder ein neues Einsteigerrollenspiel („Quest“) aus der Taufe heben will, statt eine Einsteigerversion für Cthulhu anzubieten. Und nein, nicht diesen Hohlbein-Hexer-Quatsch. Einfache, billige Bücher für Cthulhu-Pulp, um die Einsteiger zu kriegen. Stattdessen ein weiteres 0/8/15-Fantasy-Quest-Teil … ach nö.

  5. Um D&D 3.5 als Einsteigerspiel zu verkaufen, muss man schon ziemlich weltfremd sein.Hättest du für sie DSA4 geleitet, sie hätten sich die DSA4-Bücher gekauft. Und diese wären genauso im Regal verstaubt, wie 3.5. Und sicher nicht wegen deiner Alibi-Erklärung der „fehlenden“ Abenteuer (du weißt wahrscheinlich besser als ich, dass im Vergleich zu der Zeit als ich und andere mit Rollenspiel angefangen haben derzeit eine regelrechte Abenteuerflut herrscht – im Vergleich zu dem was in den USA rauskommt ist das zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es ist ausreichend).Viel mehr bremsen die Hürden die 3.5 aufstellt, wenn es darum geht eigene Ideen umzusetzen. Da wird der unbedarfte Leser (und potentielle SL) mit LAs, EBSs und ähnlichem zugemüllt (ganz zu schweigen von Bull Rush und ähnlichem Manövermüll), statt einfach zu sagen „3W6-in order, spielt los!“ – ungebremster Enthusiasmus ist die WICHTIGSTE Triebfeder für Rollenspielanfänger und wenn dieser gleich am Anfang „abgewürgt“ wird, dann wird daraus nichts mehr.Ich habe es tausendfach erleben müssen, wie ein (potentieller) SL sagte „Ich will XY damit spielen, aber das klappt nicht (bzw. ich weiß nicht, wie es klappen könnte).“ Und sich dann für immer vom SL-sein verabschiedet.So sieht die Realität nämlich aus.

  6. TV Tipp: Heute sind die RTL2 Kochprofis in der Drachenschenke, läuft jetzt gerade.

  7. Ich leite schon emohe Zeit D&D 3e Abanetuer. Damals gab es noch das St mit Einstiegsabenter (Ettin Rätsel) an das ich heute noch gern zurückdenke. Und dann haben wir erstmal den alten Abenteuerpfad aus 3E durchgeackert. Seit dem haben ich Gurps, Shadowrun 2.01/ 3.01 und Hell on Earth Spiele geleitet + ein paar one-shots aus anderen Systemen.Ich spiele jetzt seit etwa einem Jahr unregelmäßig DAS und steig bis heute noch nicht dahinter. Ich finde mich nicht im Handbuch zurecht, die Char-Erstellung finde ich übermäßig schwer und das Kampfsystem irgendwie fad.Ich werde mit dem System trotz ernsthaften Wollens nicht warm. Was Regelwerke angeht – die D&D 4e habe ich zwar, werde ich aber auf abshebare Zeit nicht spielen. Warum auch? Die Regelwerke, Quellenbücher und anderer Schnick Schnack (zB. die alten Dragon und Dangeon Hefte) die sich in meinen regal stapeln geben mir genug Abaneteur, Abenteuerideen für die nächsten Jahre. Dann noch die Goodman Games PDFs die ich mir bei ihrem Ausverkauf vor dem Jahreswechsel erstanden habe… mein Bedarf an Rollenspiel-Zubehör ist erstmal gedeckt.

  8. 3.5 einsteigerfreundlich? Nur, wenn man darauf steht, hunderte Seiten an Regeln zu verinnerlichen, die in etwa so spannend niedergeschrieben sind wie das BGB.Gerade SLs haben doch echte Probleme mit dem DMG und den Vorbereitungen, die ihnen aufgebürdet werden. Mal schnell losspielen, ist da kaum möglich, wenn man nicht das ganze Balancing über Bord wirft.Es gibt RPGs, die kommen mit einem Buch aus. Bei D&D muß man zum richtigen spielen schon wesentlich mehr an Buchmaterial erwerben.Sorry, aber der Abschnitt zu D&D 3.5 ist schwer an der Realität vorbeigeschrieben.

  9. Wut? Bei uns hat das mit einer komplett frischen Gruppe nach einer Runde die von einem erfahrenen Spieler gemeistert wurde geklappt.Die Chars waren alle grün, die Talente nicht optimal aber dank fertigem Abenteuer alles kein Problem.Das liegt daran, dass die Grundmechanik simpel ist. Ein Würfelwurf, was draufzählen und hoffen. Wie im Beitrag geschrieben – D&D hat viel Material aber alles läuft auf eine sehr einfache Mechanik raus. Und wenn man eben nicht alles Material kennt, dann spielt man mit dem was man kennt.Ich stimme allerdings zu, dass das DMG1 nicht so toll für Einsteiger ist – DMG2 dafür um so mehr. Aber auch nur mit dem DMG kann man schon recht lustige Sachen machen – teilweise auch weil man eben manches improvisiert und nicht durch Regeln eingeschränkt wird.

  10. Leider sind Ihnen in Ihrem Artikel ein paar Fehler passiert:““ Man braucht für D&D 4E in der Tat keine Miniaturen.““ Der D&D 4E DMG enthält in der Tat ein Startabenteuer.““ Der D&D 4E DMG enthält darüber hinaus tatsächlich brauchbare Regeln inklusive eines für klassisches Dungeon Crawling ausreichenden „zufallsgenerators für Dungeons“, mit denen ich auch ohne Studium bleischwerer Schwarten als Neuspielleiter erste Abenteuer basteln lassen. Und das nicht nnur auf deutsch, sondern nach Wunsch und Befähigung des SLs sogar auf hessisch, saarländisch, pältsisch, berlinerisch oder sogar bayerisch.

  11. @Funkelhand:Und bei DSA4 hätten sie einfach eine Rassen,Kultur und Profession ausgewählt, dann hätten sie ebenso (einen erfahrenen SL vorausgesetzt – Set behauptet ja, es gehe auch ohne, danke für die Widerlegung) „gleich losspielen“ können. Im Vergleich nimmt sich die Grundmechanik von DSA4 nicht viel im Vergleich zu D&D3.5.Der Teufel steckt halt in den Details.

  12. D&D 3.5 ist ein gutes Einsteigerrollenspiel, da stimme ich dem Autor zu. Es ist allerdings nicht ganz unerheblich, ob jemand, der das System kennt, einem Neuling Starthilfe gibt, oder ob ein Neueinsteiger sich da selber ‚reinlesen muß. Im ersten Falle ist 3.5 wirklich gut geeignet, Leute ins Rollenspiel einzuführen – ich habe das auf kleineren Spieletreffen auch schon mehrmals gemacht und kann sagen, daß es keine ernsthaften Verständnisprobleme gibt.Im zweiten Falle ist es sicherlich eine Herausforderung für angehende Spielleiter. Und ein Einführungsabenteuer in den Grundregeln hätte nicht geschadet.@4E: Richtig, im DMG ist ein Startabenteuer enthalten – zusammen mit einer kleinen Örtlichkeitsbeschreibung. Aber wer ernsthaft behauptet, 4E erfordere keine Miniaturen (oder zumindest Counter), der schummelt vermutlich auch beim Attribute-Auswürfeln. SELBSTVERSTÄNDLICH braucht man irgendeine Form der Repräsentation in taktischen Situationen! Sonst ist das ganze Spielsystem in etwa so präzise, wie Autofahren nach Gehör.

  13. @Tim-Oliver: achso, hätte ich fast vergessen – Regel SOLLEN sachlich und klar präsentiert werden. Oder möchtest Du sie mit hübschen Geschichten (sprich: Flavour-Text) bzw. gaaanz viel „Atmosphäre“ durchsetzt wissen?Dann wühl dich mal durch die Regeln vom Brettspiel „Rückkehr der Helden“ – das ist nämlich z.B. konversationell verfaßt, als niedergeschriebene wörtliche Rede zwischen Spielern und einem, der es erklärt. Das ist grausamster Müll! Da findest Du nie eine Regel wieder.Da halt ich es dann doch lieber mit dem BGB. Auch wenn dieser Vergleich von Dir hinkt.

  14. @ArgamaeDein Punkt, daß D&D als Einsteiger-RPG taugt, trifft auf jedes andere RPG auch zu, sei es nun Runequest oder GURPS oder was auch immer, so lange man einen erfahrenen SL hat. Aber gerade bei D&D muß man, wenn man das DMG mit einbezieht, super erfahren sein.Und ich hab Regeln gerne mit vielen Beispielen und kurz und knackig. D&D dagegen erfordert das sorgfältige Studium von mehr als einem Buch und nicht bloß ein paar Seiten, insbesondere wenn Du die Arschkarte gezogen hast und der SL bist.Und inwiefern hinkt der Vergleich? Es liest sich ähnlich spannend und das BGB ist voller Crunch.

  15. @Tim-Oliver:Nein, mein Punkt trifft eben NICHT auf jedes andere RPG zu! D&D bietet durch sein System der Charakterklasse, seinen „Helden-Archetypen“ und den auf Grundlage von „Stufen“ klar umrissenen Charakterkräften eine bessere Orientierungsmöglichkeit als viele andere Rollenspiele – immer aus der Sicht von Einsteigern!Und ich weiß nicht, ob wir hier über das gleiche Buch reden? Die D&D-3.5-Regeln sind voller hervorragender Beispiele, nimm nur mal die detailliert bebilderten Kampfregeln. Und das DMG bezieht man natürlich mit ein, da es Teil der Grundregeln ist. Es ist imho ebenso gut geschrieben, wie die Grundregeln. Außerdem ist doch wohl selbstverständlich, daß ich mich mit den Spielregeln vertraut mache, bevor ich ein Spiel spiele, oder? Der Vorteil bei D&D ist, daß eben nicht jeder Mitspieler ALLE (3) Bücher lesen muß – sondern nur der Spielleiter. Das Du die numerische Anzahl von Büchern irgendwie mit der Leichtigkeit, ein Rollenspiel zu lernen gleichsetzt, zeigt, daß Du eventuell die Modularität sowie das sehr einfache Regelgrundgerüst von D&D nicht ganz verinnerlicht hast. Und das Du aber die Rolle eines Spielleiters als „Arschkarte“ bezeichnest, läßt noch tiefer blicken.Der Vergleich mit dem BGB hinkt allein schon insofern, als das es wohl eine Geschmacksfrage ist, welche Form der Regelaufbereitung man gern liest. Wie ich im vorigen Kommentar schon schrieb: Du bevorzugst anscheinend viel „Fluff“ und empfindest „Crunch“ als negativ. Aber viel besser aufbereitet als bei D&D wirst Du „Crunch“ nicht serviert bekommen.

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