Es kümmert mich mein Geschwätz von gestern

ASL-the good

Obwohl ich in vielerlei Hinsicht feste Überzeugungen habe, und zudem viel Freude und innere Ruhe aus dem Hobby ziehe, gerade weil ich nicht mehr auf der „Suche“ nach irgendetwas bin, ist doch der Lauf meines Spielerlebens doch immer auch gesäumt von Selbstverfeinerungen.
Wenn ich uns in Erinnerung bringen dürfte, konnte ich lange, lange nicht erkennen, was denn der Vorteil sei, sich mit „takischen“ KoSims, allen voran ASL, zu beschäftigen.

Nun, warum also ASL? Viele haben es schon probiert es dem Außenstehenden zu erklären. Manche schwadronieren für zwei Stunden, nur um festszustellen, daß man über so etwas Umfangreiches wie ASL eigentlich gar nicht reden könne.

ASL ist ja selbst ein Paradoxon: viele sagen es sei der Realismus, der die hohe Frucht des Erlernen sei. Doch der ist leicht zu widerlegen: schon gleich in den Designer’s Notes zum Urspiel Squad Leader stehen alle Maßstabsprobleme, die ich selber letztes Jahr auch entdeckte. Also bewußte Modellierung und Verschiebung zugunsten von symbolischer Darstellung. Auch sind die angestrebten realistischen Infanterietaktiken so gar nicht umgesetzt.

Realismus scheidet also aus.

Was ist also der wahre Kern des Erfolgs von ASL? Was bringt es einem, sich das anzutun? Was funktioniert da, daß es immer noch so stark bespielt wird? Witzigerweise wird es vermutlich mehr gespielt als gekauft, zumindest zur Zeit.

Der Erfolg und das Erhabene von ASL ruhen auf drei Säulen:

1) Hegelianische Geschlossenheit als Kontingenzbewältigungsstrategie

ASL ist seit spätestens 1990 nahezu abgeschlossen, es gibt keine merkliche Innovation oder Änderung in den Regeln. Da sie aber 1985 bereits hegelianische Geschlossenheit und Umfassenheit erreicht haben, ist dies ein Vorteil. Der Realismusanspruch beginnt und endet also mit dieser Abgeschlossenheit. Die Wahl von Maßstab, Epoche und Regelsystem spannt einen Freiheitskubus auf, vor dem mancher KoSim-Spieler schon verzweifelt ist, genug Wahlmöglichkeit daß man von Kontingenz sprechen kann; alles was auf den Tisch kommt, könnte auch ganz anders sein, andere Kartengröße, andere Truppeneinteilung, andere Regeln:

Dritter Weltkrieg, oder lieber Antike? Zug oder Gruppen? Bataillone? Armeekorps? Anführer einbauen oder einzeln? Englischer Langbogen oder Armbrüste? Delbrück oder Oman, Wiederverwendbare Karten oder historische? usw. ad anauseam.

Dazu kommt noch die gesamte Unwägbarkeit der Modellierung, und die immanente Diskussionswürdigkeit jedes neuen Modellierungsversuchs.
Wenn man ASL spielt, löst sich der KoSim-Kontingenz-Kubus (K³) in Luft auf. Es ist in sich schlüssig, weil geschlossen.

2) Spannender Spielfluß durch Schußregeln (S³)
Bei ASL gibt es einen wohlausgefeilten und süchtigmachenden Aspekt, eine Abwandlung des Prinzips „berührt-geführt“. Nicht so streng gehandhabt, aber: wenn man Einheiten bessergesagt Teileinheiten bewegt, dann Feld für Feld. Und jederzeit kann es sein, daß der Gegner sagt: „Halt! Mein leichtes MG da hinten kann Dich sehen und schießt jetzt“, und dann tut es das und zwar genau dann. Wird man getroffen? Kann man dann seine Probe bestehen? Kann man weiterlaufen? Oder schmeiß ich mich mit den Jungs in die Büsche? Hätte ich lieber Rauch benutzt? usw usf. Die Regeln dafür sind umfassend bei voller Eleganz und Handhabbarkeit, aufregend und lassen sofort einen Film im Kopf entstehen.
Für die Jüngeren unter Euch, aber nicht ganz so Jungen: So wie weiland UFO: Enemy Unknown. Und abspeichern geht überhaupt nicht.

3) Exploration und Freiheit ohne Spielleiter
Für mich der schönste Aspekt. Im Prinzip ist ASL wie ein Rollenspiel ohne Spielleiter. Oder besser gesagt, sind ja KoSims im allgemeinen Spiele für Menschen, die auch Spielleiter sein können. Durch aber eben in 1) dargelegte Geschlossenheit ergibt sich innerhalb des Szenarios eine nahezu vollständige Freiheit. Man muß nicht, wie bei unausgegoreneren Systemen, die Spielleiterrolle von beiden Spielern übernehmen lassen, damit man zusammen irgendwie ein brauchbares Ergebnis hereinterpretiert. Nein, bei ASL können beide Gegner als Spieler voll aufgehen in ihrer Rolle, und werden vom Regelbuch durch das Erlebnis getragen. Alles, aber wirklich alles, was einem einfällt, was man evtl. machen können wollte ist möglich. Will sagen, wenn ich mich frage, ob ich mit dem Panzer nicht schneller fahren kann, unter beanspruchungen des Motors: dann gibt es dafür eine eindeutige Regel, die beide nachlesen können. und die mir sagt, daß das auch soundso ungut für die Bremsen ist. Wenn mir einfällt, daß die Verteidigung evtl. zu stark ist, und ich durch die Kanalisation vorgehen will: kein Problem. Oder ich denke, hey, die sollen doch die Straße im Sprung überqueren, oder gleiten: alles da. Oder wenn man mal gelesen hat, daß die doch auch Rauchgranaten hatten…Ordner aufschlagen und los. Alle Wahrscheinlichkeiten sind vorab geregelt. Jede Aktion, die man sich irgendwie vorstellen kann, ist genauestens geregelt. Und das muß man eben deswegen NICHT vorher alles wissen. Sondern kann sich in die Gefechtslage versetzen, Feld für Feld vorgehen und sich dann überlegen ob man nicht dies oder jenes machen will. Es wird eine Regel dann dafür da sein. Diese Regeln und die Myriaden von Asurüstungsgegenständen, Nationen, Gefechtssituationen, Gelädearten und Jahre auszuloten, das ist ohne Spielleiter möglich. Wobei ein wenig Planung schon gut ist, wenn man denn gewinnen will.

Auf diesen drei Säulen spannt sich dann das Dach auf, ein Dach von ansprechend gestaltetem Material in Vollfarbe. Bewohnbar wird das ganze dann, wie RSP durch das Dungeon bewohnbar gemacht wurde, durch die Szenarios. Die sind kurz genug, um an einem Tag meist fertiggespielt zu sein. Und zur Not sind sie auf jedem Regal einfach abspeicherbar: ein oder zwei Bretter einfach an katzensicheren Ort aufstellen, die Maße sind ja quasi Din A4 (US letter). Das ermöglicht eine starke Vermehrung der Spielmöglichkeiten, dazu noch die gesamte VASL-online Szene. Und so gibt es das Sprichwort, daß viele, die ASL spielen, gar nichts mehr anderes spielen.
Ich gehöre nicht dazu.

Zum ORK