Ich bin nicht der, der ich dachte. Die Erklärung, Teil 2

Neben den rollenspielbezogenen Dingen in Teil 1 gibt es auch individualbiographische Kategoriefehler, die ich gemacht habe, und dadurch bin ich angeeckt, was mich nie gestört hat, denn ich sah den Fehler immer bei den anderen, da ich mich fast immer im Recht sah. Doch auch hier war viel des Zorns unangebracht, weil ich einfach von mir als Normalbürger ausging, der ich wohl oder übel nicht bin.

Beispielhafte Dinge, die ich stillschweigend angenommen habe:

  • Ich bin mittelschlauer Gymnasiast
  • Ich komme aus der Mittelschicht
  • Ich war auf einer normalen Schule
  • Ich bin in einer normalen Gegend aufgewachsen
  • Meine Freunde sind normale Leute
  • Man kann ganz einfach Patriot sein, ohne Nationalist bzw. Chauvinist zu sein

Mit gebührendem Abstand und ohne jede falsche Bescheidenheit oder Scham, das ist alles statistisch signifikanter Schwachsinn gewesen! Und zwar sowas von, daß es nur natürlich ist, daß ich dauernd anecken mußte weil viele Grundannahmen aus wissenschaftlicher Sicht nur hanbüchen zu nennen sind. Objektiv durch Zahlen belegbar:

  • Ich bin aus einem sehr kleinen, oberen Leistungs- und Begabungsperzentil
  • Ich komme aus der Unterschicht
  • Ich war auf einer sehr, sehr guten Schule. Die wäre ein ganzes Buch wert, gerade im Vergleich zu dem was in Westdeutschland sich Elitegymnasium schimpft, eigtl. aber immer nur die Eltern meint.
  • Meine Gegend ist eine der schlimmsten oder die schlimmste Hochhausgegend in Berlin. Faktisch krasser als Sidos MV.
  • Meine Freunde sind, wie ich selber auch, keine Biodeutschen oder Mischlinge. Mit Migrationshintergrund. Ich hatte in der Schulzeit mehr biodeutsche Freunde, aber am Ende des Tages sind mit nur wenigen speziellen Ausnahmen vor allem die mit MiHiGru aka Kanaken (mich eingeschlossen als Halbkanake) geblieben. Die rein dt. Freunde die geblieben sind, sind entweder die über meine/n Partner/in oder welche, die so mensamäßig superschlau sind, daß sie eh alles transzendieren oder ein paar von dem Superhomies aus Westberlin, die Flers quasi (was mich zum Sido machen würde. Innerhalb der RSP-Szene bin ich aber wohl eher der Fler, aber egal). Von allen zugereisten Wessis hat kein einziger festerer Kontakt so Bestand gehabt so daß ich es noch Freundschaft nennen würde. Das war keine Absicht, aber im Rückblick ein frappantes Muster. Ich mußte mal an einer Telphonbefragung teilnehmen, da haben die mich das gefragt und ich war selber erstaunt über das Ergebnis.
  • Was mir damals als gesunder Patriotismus vorkam, war stark geprägt von der Perspektive, die in etwa ein Latino in zweiter Generation in den USA hat, der zum Militär geht. Dankbarkeit gegenüber einem als stark und richtig empfundenen Aufnahme- und nun Heimatland. Was ich aber bei der Bundeswehr, vor allem aber im Offizierscorps erlebt habe war, daß der ganz Bumms (nicht ohne beeindruckende Ausnahmen) voll ist von sentimental angebraunten Chauvi-Nationalisten und, noch schlimmer, voll von seelenlosen Karrieristen. Und Klassendünkel ist auch zu spüren, was mich damals stark verrätselte aber ganz offenbar wurde als ich nach der Unteroffizierszeit auf die Offizierslehrgänge einschwenkte. In der Bundeswehr, in der ich gedient habe, gab es kaum echte Preußen außer ein paar versprengten ex-NVA-Leute im Offizierscorps und eben den strahlenden hochbegabten Asunahmefiguren. Insgesamt zählt das preußische Ideal des VorschriftenGEISTtreuen Staatsdieners außerhalb der Grenzen Brandenburg-Berlins überhaupt nichts (mehr?). Das wäre aber Stoff für ein ganzes Buch, soviel erstmal dazu.

Wenngleich ich durch die ganzen falschen Normalitätsannahmen immer wieder and verschiedenen Orten angeeckt bin, so bin ich im nachhinein sehr dankbar für meine Fehlannahmen. Hätte ich in früheren Lebensabschnitten schon von meiner besonderen Situation gewußt, hätte dies zur Verbitterung oder zu einem südamerikanischen „Dependencia“-Wahn führen können, der zu nichts führt und eben auch nicht so ganz stimmt. Ein Reinsteigern in eine Opferrolle wäre mir aber immer zuwieder gewesen. Lieber der einzige Klardenker im Land der Langweiler und Langsamdenker, als unwürdig umzingelter Unterdrückter. Für mich gelöst ist die Sache ganz elegant wie im „Straßenrap“, man ist gleichzeitig der Größte, aber in ruhigen Minuten weiß man auch, daß es einem nicht einfach gemacht wurde. Und die anderen sind alle Spasten & Bonzenkinder.

Einzig, die unter mir insofern leiden mußten, also ich von meiner Auffassungsgabe als normal ausging und dann unbotmäßig ungeduldig war, diese kann ich im nachhinein nur im Entschuldigung bitten.

Hier zum Disputorium, nicht dem allgemeinen Forum, weil privater.