Subkomplexe Scheiße.
Jaja, die regt mich auf. Eher noch macht sie mich traurig. Ganz abseits der Nachwuchsdebatte, die sich im Kreis dreht (es sei denn man hört auf meine überlegenen Einsichten, siehe gestern), und zwar seit 1985.
Also, was ist die subkomplexe Scheiße? Nun, erstmal ist sie nicht so schlimm. Mache ich auch manchmal, ein einfaches Abenteuer, eine geradlinige Kampagne. Hat seinen Wert.
Einschub: Anders als in Deutschland üblich, bedeutet geradlinig und einfach nicht vorgekaut & railroading, sondern eben nur, daß es nichts allzu Komplexes daran gibt.
Was meine ich dann?
Eine Krankheit, die bis ins Hirn von Marc Miller (gibt da eine sehr doofe Anmerkung in T5) zu reichen scheint: Die Fixierung auf einzelne Charaktere beim RSP. Nun, bestimmt liegen da auch die Vorlieben der meisten Teilnehmer.
Aber muß man die Fixierung auf einen einzeln Charakter auch noch auf das Tätigkeitsfeld übertragen?
Wir altern doch, siehe Nachwuchsdebatte. Wie kann es dann sein, daß da nicht auch die Komplexität und der Horizont der bespielbaren Dinge anwachsen?
Um die Nebel noch ein wenig zu lüften:
Neulich sagte Jörg Raddatz mal etwas, was auch in veränderter Form Marc Miller jüngst schrieb (warum nur?! er weiß, ja kann es doch besser, von ihm kommen die Werkzeuge dazu!), und immer wieder anzutreffen ist:
„Handel im Rollenspiel soll auf einer Ebene bleiben, die das Abenteurerleben betreffen. Fremde Orte bereisen, kleines Schiff, Schmuggeln, Aufhänger für Reisen, Aufhänger für andere Aufträge usw usf. Die SCs die zu reich werden, wären eher Magnaten und somit NSCs.“
Ist paraphrasiert, und vielerorts anzutreffen, auch Kiesow sagte mal sowas. Auch in anderen Zusammenhängen findet man diese Selbstbeschränkung. Ich finde das ist doch subkomplexe Scheiße.
Warum sollen die Spieler nicht Magnaten werden?
Wozu spiele ich mit Erwachsenen, wenn ich doch nur immer Indiana Jones nachäffe (der war übrigens Professor, zog dann aber wieder selber los, anstatt…)?
Einen Konzern zu führen, warum soll das nicht rollenspielerisch thematisiert werden dürfen?
Ich habe das alles schon gemacht. Und gerade Traveller bietet einem ja alles, AD&D, OD&D und BECMI oder Harnmaster sowieso. Theoretisch sogar DSA, und mit MMS: Western Europe auch 3.5. Oder den Bänden vom Penumbra-Verlag.
Also, ich verstehe ja, daß sowas Nischenthema ist, kaum einer will. aber wie können gestandene Rollenspielveteranen über so einen begrenzten Horizont verfügen?
Bei Söldnereinheiten geht es doch auch, wie Traveller schon immer und für Deutschland BattleTech mit den gleichen Mittel zeigt. Irgendwann ist man eben Generalsstab und nicht Schütze Dosenkohl. Oder König, Magnat, CEO oder oberster Psychohistoriker, der das ganze Imperium manipuliert, oder ein Gott/Immortal bei BECMI.
Natürlich ändert sich dann, was man spielt. Aber wenn wir schon älter werden, dann können wir doch auch sowas machen. Wie gesagt, es ist nicht schwer, wenn man erstmal ein bißchen die Welt der Gegenwart und Vergangenheit versteht.
Aber immer dieses rumgeeiere auf der direkten Pistolen & Schwertebene, subkomplexe Scheiße.
Nun, ich fordere garnicht, daß es dafür mehr Material in Deutschland gibt. Aber überall auf der Welt sollte da mehr Bewußtsein für geschaffen werden. Nehmen wir nur Cthulhu: Wie oft ist es das logischste, Organisationen zu ghründen oder zu nutzen, um dem Feind zu begegnen?
Warum mit dem eigenen SC in die Grube springen, wenn man lieber ein Freikorps den Kult und Ekke Nekkepen ausheben lassen kann?
Wer dann denkt, dann machten die Spieler nichts mehr, ist ein subkomplexer Scheißkopf.
Vertragsanbahnung, Planung, Ausrüstung, Ausbildung, Transport, Vertragserfüllung, Medizinische Versorgung, das alles will organisiert, erspielt sein, bevor die Freikorpsler Ekke Nekkepen ins Stahlgewitter schicken.
Und oh Schreck oh graus! Das sind ja alles Sachen, die NUR über Rollenspiel zu regeln sind! Die auch ein Computerspiel in meiner Lebenszeit nicht wird modellieren können! Und genauso verhält es sich doch auch mit den Spielern als Magnaten! Vorstandsitzungen, durchdrücken neuer Firmenstrategien, feindliche Übernahmen, Planung von Industriespionage oder deren Abwehr, Gespräche mit der Presse: Alles feinstes Charakter- und Rollenspiel.
Wie kann ein erwachsener Mensch nur sagen oder denken, daß man sich selbst beschränken muß, um die Charaktere „im Spiel“ zu halten? Was muß man dafür im Hirn haben?
Subkomplexe Scheiße.
Wer immer noch nicht weiß, was ich meine, kann hier disputieren.
EDIT: Ich habe leider nicht mehr gefunden, wo MM in T5 die bösen Gedanken pflegt. Dafür tausend Beispiele, daß nicht. Hier eines:
Some people want to build empires. Some care about
money, others about power, still others about knowledge.
Each player is different: each sets his own goals and his
own pace. And so, ultimately“¦
Travel (and Traveller) is a process, not a goal.