Es gibt wohl in letzter Zeit kein anders Blog was oft so fundamental falsch liegt, wie das Donnerhaus Blog. Da werden in epischer Länge Plattitüden gedroschen, die die Autoren irgendwo aufgeschnappt haben. Den Realitätstest bestehen sie seltenst. Wo dies am Ärgsten auftritt, ist bei dem Zombie, dem Wiedergänger der Storygamer schlechthin, und der Ursache für 99% aller schlechten Medienprodukte, und zwar dem folgendem Irrglauben:
Wo kommt dramatisches Potenzial in Charakteren her? Klar, aus innerem Konflikt. (QUELLE)
Kurzen Antwort: Nein, nei-jen. Quatsch mit Soße.
In verschiedenen Abwandlungen rennen hunderte, tausende, hunderttausende durch ihr kurzes Leben und führen diese „Erkenntnis“ auf den Lippen. Wie albern sie damit aussehen beweist unsere Donnerhaus-Besatzung gleich in ihrem Anleitungstext zur Charaktererschaffung:
Als Charakterstudie empfehle ich Titus Pullo aus der TV-Serie „Rome“. Dieser Charakter treibt die Geschichte durch seine inneren Konflikte und regelmäßigen Fehler an. Trotzdem fühlt man sich ihm verbunden, und er bleibt stets irgendwie liebenswert.
Titus Pullo, das ist ein starkes Stück! Titus Pullo hat zunächst keinerlei inneren Konflikt. Er ist vielmehr ein in mehrtausendjähriger Tradition stehender Archetyp eines liebenswerten Tunichtsguts, gepaart mit großer Schlagkraft. Wenn jemand einen inneren Konflikt in der Serie hat, dann ja wohl Pullos Freund Vorenus. Hin und hergerissen ist dieser von stoischen Pflichten, seinem eigenen Wohl, der Loyalität gegenüber der Republik und der gegenüber Cäsar. Und diese Konflikte lebt er auch auf dem Bildschirm aus.
Man mag Pullo ja eben weil er nicht zweifelt, weil er in sich selber ruht, bzw. einfach nur ohne große Prinzipien seinen Launen folgt und dann im weitesten Sinne Abenteuer erlebt um sich mit seiner unverwechselbaren weil GLEICHBLEIBENDEN Art aus den Schlamasseln zu befreien.
Tatsächlich ist bei näherer Betrachtung fast immer das Gegenteil war: Innere Konflikte erzeugen keine Dramatik, sondern Genervtheit der Zuschauer. Die großen Figuren der Popkultur sind jene, die immer, immer, immer wieder das gleiche tun. Sherlock Holmes, Captain Kirk, Spock, Sheldon Cooper, Bud Spencer (Titus Pullo in unblutig), Felix Krull, Hans Castorp, Hong-Kong-Fui, River Song, Falstaff, Buffy, Homer Simpson, Ms. Marple, alle Superhelden, alle TV-Kommissare u.v.m., sie alle bestechen durch ewige Gleichheit, die aber so gestrickt ist, daß sie mit Abwandlungen ihrer Basisausstattung ihre Abenteuer bestehen.
Gerade wenn wir in die Nerdmedien gehen, wer sind die Fan-Favorites bei Herr der Ringe? Frodo? Mit einem im Buch wie Film episch ausgewalzten, innerem Konflikt? Oder doch eher der einfachere Samweis? Ist es Denethor, mit seinem giechisch-tragödienhaften Wahn? Oder Boromir? Oder eher Legolas & Gimli? Nun, wohl alles rhetorische Fragen. Es sind natürlich die einfachen, auf ewige Wiederholung und Treue zu sich selbst ausgestatteten Figuren, die die Herzen gewinnen.
Der einzige Grund, warum es, gerade in Krimiserien eine sogenannte Charakterentwicklung gibt, ist, damit die Serie ein Ende hat. Deswegen laufen dort die Veränderungen in Zeitlupe ab, ein Abweichen von nur einem Jota wird als Forendiskussionsstoff und Revolution abgefeiert.
Auch war selbst das Paradebeispiel für die Heldenreise, Luke Skywalker, niemals auch nur annähernd so beliebt wie Han Solo oder noch extremer Boba Fett. Selbst Stormtrooper hatten ihre Fans alleine wegen der Symbolwirkung, der Idee der abosluten Treue und Effektivität, die im Film genaugenommen nicht gezeigt, aber eben vermittelt wird. Ganz ohne Konflikt. Es ist genaugenommen eine sehr besondere Leistung, daß Luke Skywalkers Schwäche von den Fans doch oft genug als Stärke im Glauben und im Vertrauen auf das Gute verstanden wurde. Tatsächlich ist das Sympathischste an Luke ja eben der Kinderglauben an das Gute und die Machbarkeit, den Frodo oder Boromir so nicht haben. Die inneren Konfliktszenen waren schon immer diejenigen, die am meisten Spott über die Originalfilme brachten.
Schwäche und Unentschlossenheit sind Dinge, die bei den allermeisten Zuschauern Abneigung erzeugen, alleine schon weil diese das Publikum an eigene Inkonsequenz und Schwäche erinnert. Das mag als Vehikel für die conditio humana unabdingbar sein, aber es tut meist weh (wenn es gut gemacht ist) oder es ist albern und nervig (wenn es schlecht gemacht ist). Ganz basal gibt es da meiner Auffassung nach etwas ganz tief im Affenhirn, was uns an zurschau gestellten inneren Konflikten abstößt. Große Kunst ist es, das dann trotzdem zu thematisieren. Jedoch die Helden der Massenkultur, die Figuren, die wirklich Spaß machen und das Leben schön: daß sind die einfachen, sich selbst treuen Figuren.
Diese Aufgehobenheit des Zuschauers in den ewig gleichen Figurenensembles ist es ja, was den Schauspielern derselben großen Reichtum einbringt, weil der Wechsel nicht mehr möglich scheint. Wenn man sich die sog. breakout-characters anguckt, dann sieht man auch schnell, es sind die Few-Trick-Ponys, die sich die Herzen der Zuschauer und Leser erobern. Eine Pauly Paulette u.v.m. sind ganz bestimmt nicht durch innere Konflikte reich geworden.
Wer Euch also das nächste mal auffordert, innere Konflikte in Eure Werke und Personnagen einzubauen, lacht ihn aus: Milliarden von Menschen sehen es jeden Tag genau anders.