oder Das Projekt Phantastik aus kunstgeschichtlicher Sicht
In einem recht aktuellen und vielgerühmten Buch zur modernen Kunst, wird u. a. die große Linie des sich entwickelnden Kunstverständnisses Carl Einsteins [nicht verwandt] dargelegt. Einstein entwickelt seine Welt-/-Kunstsicht [u. a.!] aus einem gescheiterten Projekt, dem Projekt der Schaffung der von Novalis geforderten „Phantastik“. Diese Phantastik wollte/sollte Novalis analog zur Logik als die Verbindung, Einhegung und Verschmelzung von Mathematik und schöpferischer Phantasie verstanden wissen. Novalis Leben war kurz, sein mathematischen Fragmente blieben eben jene und so war eine gewisse Zeit Einstein wohl voll auf diesem Dampfer. Die größte Bedrohung für die Vergötterung der reinen Fantasie war für beide (und ich schließe mich da mal bescheiden an) der solipsistische Impuls im Schöpferischen, der im Kern nihilistisch ist*. Die reine Logik hingegen ist zirkulär, abgeschlossen, statisch und damit unbelebt/tot. Was aber zum Henker wollten nun Novalis und dann Einstein? Zeidler erklärt es uns in seinem Buch:
„What Einstein and Novalis were getting at was this: A mathematically poetic world is neither like the logic of academic philosophy nor like the fantasy of Blue Flower Romanticism; it is rather both. Logic is a relational system at once perfect and inert; fantasy is a figment of the imagination at once searing and evanescent. Neither will do on its own. But if the two could be dovetailed, if logic and fantasy could be merged into a single „fantastic,“ one would have the structure of a poetic world at one’s hands in which rigour would become inventive and be everywhere saturated with the contingency of human emotions and actions. Chance events, scattered reveries, dysfunctional obsessions, would no longer be beyond the purview of a system of form but would be brought forth by it, and joined up with one another into a single, self-supporting fabric. A new, fantastically rigorous prose would render human finiteness infinite on the page. And its author would be a kind of God, a God to whom his own poetic world, growing limitlessly, would present itself as if to „an infinitely different perspective,“ as Einstein put it.“
aus Zeidler, S (2015) Form as Revolt: Carl Einstein and the Ground of Modern Art
Und das meine Freunde, ist wohl das Schönste was jeh über AD&D geschrieben wurde. Denn wo der Poet-Ingenieur Novalis sein Wirken jeh unterbrochen fand und Einstein „im Flaschenhals zwischen diesen zwei Unendlichkeiten zerrieben zu werden drohte“, so konnte etwas später E. Gary Gygax vollbringen und das Projekt umsetzen. Das was im obig zitierten Absatze steht, das ist es, was der kern des verräumlichten und quantifizierten Abenteuerrollenspieles ist. Wer sich wundert, warum alle coolen, nützlichen und Schönen Dinge im Hobby am Ende stabil** auf AD&D1E fußen, der findet hier den Grund modernen Spiels.
Wem das zu abstrakt erscheint, der möge sich einfach mal ein recht aktuelles Beispiel für die Lebendigkeit des Projekts Phantastik anschauen:
Zur Diskussion.
* Mit meinen geringen Kapazitäten meine ich doch zumindest glaubwürdig genau gegen diese solispisitsichen Schöpfungen seit 15+ Jahren anzukämpfen: Für uns gemeint sind hier Dinge wie das klassische „Speed of Plot“, Dauerwürger wie „es gibt keine Geheimnisse“ oder „hinter der Tür ist erst etwas, wenn die Spieler sie öffnen“.
** Travellers zu starker Ausschlag zum Logik-Pol hat es immer daran geehindert stabile Strukturen zu schaffen, die irgendwie mit der Grundgesundheit von AD&D konkurrieren könnte.