Grolme: Es ist noch schlimmer.

Glumbosch hat einen sehr guten Artikel geschrieben, der die Reproduktion antisemitischer Stereotype in Aventurien anprangert.

Sehr wichtig, so etwas gerade da, wo man selber involviert ist, also Grumbosch bei DSA, anzusprechen.

Selber bin ich aus allen Wolken gefallen: beileibe kein Freund von DSA, sehe ich mich gezwungen zumindest Ina Kramer und Ulrich Kiesow hier in gewisser Weise in Schutz zu nehmen! Aus meiner Sicht ist es nämlich viel schlimmer, als Grumbosch es darstellt.

Warum bin ich aus allen Wolken gefallen? Weil ich die Grolme aus meiner eigenen DSA-Zeit kenne, die sind ja ein wichtiger Bestandteil der Orklandtrilogie. Und ich war total verdattert: wie konnte ich solche ekeligen Stereotypen übersehen? Grolme, waren das nicht einfach nur so komische Nichtkämpferwichte, die ihr eigenes Ding gemacht haben? Nicht besonders nett aber mehr auch nicht. In meiner Erinnerung waren die immer wie Munchkins auf Beruhigungsmitteln, mit leicht gemeiner Neigung.


Und so guckte ich flugs nach und siehe, die Kiesow-Kramer Grolme sind entweder etwas verpeilte, aber hilfreiche Imker, oder eben orkversklavende Munchkins, die sich um ihr Land und ihre Goldmine kümmern und zu diesem Behuf die Spieler übelst railroaden. Tatsächlich geht Kiesow beim Imker zum Beispiel mehr davon aus, daß die Spieler (Helden?) den ausplündern und bescheißen als alles andere.

Aus Der Purpurturm, Zeichnung Ina Kramer, 1987

Dieses Grolmendorf und die Zufallsbegegnungen waren also meine Erinnerung, und wer das was im Purpurturm als eindeutig antisemitsch oder auch nur eine Anspielung an Juden bezeichnet, der hat glaube ich ein Problem.
Dennoch hat Grumbosch mit seinen Fundstücken und Beweisführung volkommen recht: die aktuellen DSA-Grolme sind eindeutige Reproduktionen von antisemitschen Stereotypen. Wo Grumbosch jedoch das Alter des Spiels anführt und die allgemeine Kultur, so möchte ich hier mal betonen: So waren die Grolme am Anfang nicht. Jemand hat, angefangen mit Michael Johann und Thomas Römer [ADD: es sind Belegstellen gefunden, daß Kiesow selbst das Fundament gelegt hat auf dem Römer, johann und andere aufbauten, siehe Kommentare und Thread], die im Kreaturenbuch dann die Grolme als „Feilscher“ titulierten, mit denen man bloß nicht handeln soll (Wo der arme Imkergrolm noch Angst um seine Ware haben mußte), etwas in die Grolme reinprojiziert, was in Ihnen nicht angelegt war, wohl aber scheinbar in einer großen Zahl an DSA-Autoren und Fans der 2000er bis mindestens 2016!

Der Grolm hat Angst um seinen Honig. Zeichnugn Ina Kramer. 1987


Gerade das Artwork und das Rumreiten auf den Stereotypen („Feilscher von Festum“) ist neueren Datums. Dies ist ein anders gelagertert Fall als wohlmeinende Reproduktion von Klischees von Völkern wie Araberreitervölkern oder Indianern. An so etwas merkt man die Karl-Mayigkeit einer Welt und seiner Autoren. Die ist zu kritisieren, aber in gewisser Weise angestaubt und possierlich, nicht aktiv strahlend.
Die nachträgliche Projektion und Ausarbeitung der Grolme hingegen stellt für mich ein Indiz dar, daß aktiv ausstrahlende antisemitische Botschaften und Andeutungen in den Kiesow-Nachfolgerköpfen rumgeisterten und weiter rumgeistern, die bis dato unhinterfragt auch noch mit Einträgen und einer retcon Geschiche inklusive Berufsverboten und Diaspora ausgebaut werden.

Das widert mich ehrlich gesagt ziemlich an. Und bei aller Abneigung gegen Kiesow, hier möchte ich sagen: Nicht Kiesow ist’s gewesen IHR seid es gewesen, seid es noch.

Zur Diskussion

8 Gedanken zu „Grolme: Es ist noch schlimmer.

  1. Um so einen Kommentar loszulassen, nach dem Halle-Attentat von 2019, muss man schon ein rechtsradikaler Drecksack sein.

  2. Hm. Also bzgl. „Jemand hat, angefangen mit Michael Johann und Thomas Römer, die im Kreaturenbuch dann die Grolme als „Feilscher“ titulierten, …“ ist zu sagen, dass die Bezeichnung als „Feilscher“ vom Alt-Meister persönlich stammt (vgl. Aventurischer Bote Nr. 8, Seite 6, aus dem Jahre 1987).

  3. @Horadan: Im Thread im Disputorium wurde auch auf einen Kiesowroman hingwiesen, der die Grolme auch in übleres Licht rückt, als „Der Purpurturm.“ Insofern nehme ich Kiesow nicht außerhalb des Orklands in Schutz. Immerhin: ina Kramer ist hier unverdächtig.
    Dennoch sind die ganzen Zuschreibungen und phänotypiscehn Betonungen dieser Richtung allen noch neueren und neuesten Datums. Da hat Kiesow also die Hundepfeife rausgeholt, ich blieb taub fürs Signal, aber viele hörten und die DSA-Autoren doppelt. Finde ich wie in der Überschrift: noch schlimmer. Nochmal Lob an Glumbosch fürs anprangern.

  4. Danke für deinen Artikel! Ich habe ihn als Anlass genommen, endlich etwas in meinen eigenen Werken zu korrigieren, das mich seit Jahren gestört hat: Wir hatten in den Flyerbüchern einen hakennasigen Nathaniel Münzwechsler als Händler. Das war ein Text aus einer Kooperation, und ich fand es damals unhöflich, anderen die Texte umzuschreiben, fand aber damals schon den Stereotyp unangenehm, so dass ich ein Foto von Caesar danebenesetzt habe, um ihn aufzuheben. Das hat aber seit Jahren an mir genagt, weil es sich nicht vollständig richtig angefühlt hat.

    Jetzt habe ich mir das nochmal mit Abstand angeschaut:
    – Gab es einen zwingenden Grund für die Hakennase? Hat sie den Char wirklich gestützt? Nein: Rüstig würde viel besser erfassen, was die Rolle des NSC in der Geschichte ist.
    – Ist „Nathaniel“ als Name passend? Er passt nicht wirklich in die Welt und passt auch vom Klang nicht zu einem Älteren, mit dem man vorsichtig sein muss. Zur Welt passt eher ein Name wie „Naros“. (das N ist eine Setzung, um nicht in Konflikte mit anderen Namen zu kommen).
    – Passt Münzwechsler? Das ist ein klassischer Weg, um in einem Grenzgebiet rech zu werden, passt auch zu jemandem, der alles als Ware ansieht, and impliziert Konflikte mit Handwerkern, passt also.

    Also gibt es jetzt einen „rüstigen Naros Münzwechsler“. Und ich fühle mich viel wohler damit.

  5. Freut mich, wenn Du was draus ziehen konntest! Ich finde Deinen Gedankengang äußerst nachvollziehbar, gerade weil Du auf den Rollo-Zock-Payoff blickst. Wenn man keien Anspielung braucht, aber sich an diese klammert oder sie extra einbringt, dann finde ich das…nicht gut.

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